Rechtswidrige Beanstandungsverfügung des Gesundheitsministeriums gegen Bewertungsausschuss

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat eine Beanstandungsverfügung aufgehoben, die das Bundesgesundheitsministerium im Wege der Rechtsaufsicht gegen den Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung erlassen hatte. Das Ministerium habe die Grenzen der zulässigen Rechtaufsicht überschritten. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Streit um Beanstandungsverfügung des Bundesgesundheitsministeriums

Gegenstand des Streits war ein Beschluss des Bewertungsausschusses vom 21.08.2018, der Vorgaben für die Ermittlung der diagnosebezogenen Veränderungsraten für das Jahr 2019 enthielt. Der Bewertungsausschuss wollte ein Korrekturverfahren zum Umgang mit außergewöhnlichen Prävalenzänderungen einführen. Dieses Verfahren hätte Auswirkungen gehabt auf die Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen durch die regionalen Vertragspartner. Das Bundesgesundheitsministerium beanstandete diesen Beschluss im Weg der Rechtsaufsicht, weil es den Bewertungsausschuss nicht für befugt hielt, eine derartige Regelung zu treffen. Hierauf korrigierte der Bewertungsausschuss seine Entscheidung. Allerdings erhoben die Trägerorganisationen des Bewertungsausschusses, der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, gegen die Verfügung Klage.

LSG: Unzulässige Fach- statt Rechtsaufsicht ausgeübt

Die Klage hatte Erfolg. Das LSG hat die Beanstandungsverfügung aufgehoben. Sie sei rechtswidrig gewesen. Im Weg der Rechtsaufsicht dürfe vom Ministerium nur geprüft werden, ob sich das Handeln des Bewertungsausschusses im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt oder ob es schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Hieran gemessen sei der Beschluss des Bewertungsausschusses nicht zu beanstanden. Denn es sei gut vertretbar, den einschlägigen Regelungen in § 87a SGB V eine entsprechende Ermächtigung des Bewertungsausschusses zu entnehmen. Das Bundesgesundheitsministerium hätte im Weg der Rechtsaufsicht nicht seine abweichende – auch vertretbare – Rechtauffassung hierzu durchsetzen dürfen, denn hierin liege letztlich ein Akt der (weitergehenden) Fachaufsicht, die dem Ministerium aber gerade nicht eingeräumt sei. Zudem sei die Beanstandungsverfügung auch schon deshalb rechtswidrig, weil sie nicht erkennen lasse, ob das Ministerium bei ihrem Erlass überhaupt Ermessen ausgeübt hat.

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2021 - L 7 KA 47/18 KL

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2021.

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