Geflüchtete hatte keinen Anspruch auf reguläre Sozialhilfe
Streitig war der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt einer in Prag geborenen Klägerin, die sowohl die tschechische als auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, lange in Syrien lebte und kriegsbedingt 2015 nach Deutschland einreiste. Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des Senats keinen Anspruch auf reguläre Leistungen der Sozialhilfe. Denn sie besaß kein europarechtliches – "materielles" – Freizügigkeitsrecht oder sonstiges Aufenthaltsrecht (Rechtsgrundlage: § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII).
Können EU-Bürger komplett von Sozialleistungen abgeschnitten werden?
Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, ob die Klägerin als Unionsbürgerin gänzlich von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen sein kann. Die Richte sahen die Klägerin als gegenüber anderen Ausländerinnen privilegiert an: Auch wenn Unionsbürgerinnen objektiv kein Freizügigkeitsrecht besäßen, gelte ihr Aufenthalt als rechtmäßig, solange die Ausländerbehörde ihn nicht rechtswirksam beendet habe. Sie seien bis dahin ausländerrechtlich nicht zur Ausreise verpflichtet.
Überbrückungsleistungen statt Sozialhilfe
Der 15. Senat hat nun entschieden, dass Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht Anspruch auf sogenannte Überbrückungsleistungen haben, solange die Ausländerbehörde gegen sie keine bestandskräftige und weiterhin wirksame Ausweisungsverfügung erlassen hat, die mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot verknüpft ist. Überbrückungsleistungen sind Leistungen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts, die niedriger sind als die regulären Leistungen der Sozialhilfe. Sie sind zeitlich befristet bis zu einer möglichen Ausreise unter anderem für den von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erfassten Personenkreis (Rechtsgrundlage § 23 Abs. 3 Sätze 3 bis 6 SGB XII) zu gewähren. Die vom 15. Senat zugelassene Revision zum Bundessozialgericht ist inzwischen eingelegt worden (dortiges Az. B 8 SO 7/19 R).