Regadenoson 2019 für neuen Anwendungsbereich zugelassen
Bei Regadenoson handelt es sich um ein Diagnostikum, das als pharmakologischer Stressauslöser bei Untersuchungsmethoden am Herzen zur kurzzeitigen Gefäßerweiterung (Vasodilatation) eingesetzt wird. Nach Erstzulassung des Arzneimittels im September 2010 für das Anwendungsgebiet der Myokardperfusionsaufnahmen und dem Inverkehrbringen in Deutschland im Folgejahr wurde Regadenoson im Januar 2019 für das weitere Anwendungsgebiet der Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) zugelassen. Diese bei koronarer Herzerkrankung genutzte Untersuchungsmethode zur ärztlichen Entscheidung über notwendige Therapien hatte der G-BA bereits mit Beschluss vom 17.11.2017 anerkannt.
Klägerin monierte Nutzenbewertung und dabei berücksichtigte Komparatoren
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) - erst Nutzenbewertungsverfahren, anschließend Vereinbarung beziehungsweise Festsetzung eines Erstattungsbetrages (§§ 35a, 130b SGB V) - für Arzneimittel, die wie Regadenoson nicht über die Apotheken, sondern nur im sogenannten Direktvertrieb an Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser abgegeben und im Sprechstundenbedarf abgerechnet werden, nicht anwendbar sei. Regadenoson sei ferner untrennbarer Bestandteil der Untersuchungsmethode FFR und ohne eigenständige therapeutische oder diagnostische Funktion, sodass dem Methodenbewertungsverfahren der Vorrang gegenüber der Nutzenbewertung zukomme. Die für die FFR im Einheitlichen Bewertungsmaßstab 2018 eingeführte Kostenpauschale sei abschließend. Bei der Nutzenbewertung habe jedenfalls berücksichtigt werden müssen, dass Regadenoson im Hinblick auf seine Zulassung im Anwendungsgebiet FFR ein "Solist" sei. Hierfür nicht zugelassene Arzneimittel im Rahmen der Nutzenbewertung als "Komparatoren" einzubeziehen, sei unzulässig. Bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle seien dementsprechend zu Unrecht Preise dieser Komparatoren berücksichtigt worden.
LSG: Voraussetzungen für Nutzenbewertung waren gegeben
Laut LSG kommt dem abgeschlossenen Methodenbewertungsverfahren gegenüber dem Nutzenbewertungsverfahren hier schon deshalb kein Vorrang zu, weil es bereits vor Zulassung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet FFR beendet worden sei. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Nutzenbewertung hätten vorgelegen, weil es sich bei Regadenoson um ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff gehandelt habe, für das im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den G-BA noch Unterlagenschutz bestanden und das nach dem 01.01.2011 ein neues Anwendungsgebiet (FFR) erhalten habe. Die Aufnahme einer Kostenpauschale in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab stehe dem nicht entgegen.
Zulassungsrechtliche Solistenstellung befreit nicht von Pflicht zum Nachweis eines Zusatznutzens
Das Nutzenbewertungsverfahren sei beanstandungsfrei durchgeführt worden, insbesondere unter Bestimmung einer zulässigen zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die Rechtsfolge, dass ein Zusatznutzen des Arzneimittels im Anwendungsgebiet FFR als nicht belegt gelte, weil die Klägerin die erforderlichen Nachweise nicht innerhalb der vorgegebenen Frist vollständig eingereicht habe, sei zu Recht festgestellt worden. Von der Pflicht zur Beibringung entsprechender Nachweise (Dossier) sei die Klägerin nicht aufgrund ihrer Stellung als zulassungsrechtliche Solistin befreit gewesen.
Schiedsspruch rechtmäßig: Kosten der "Komparatoren" durften bei Kostenangemessenheit berücksichtigt werden
Der Schiedsspruch vom 06.07.2020 auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses vom 15.08.2019 sei nach dem Scheitern einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen über den Erstattungsbetrag und weitere Vertragsinhalte ebenfalls rechtmäßig. Insbesondere sei aufgrund des der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V eröffneten weiten Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden, dass zur Bestimmung der Kostenangemessenheit im neuen Anwendungsgebiet FFR Kosten für Arzneimittel eingeflossen sind, die in den "Tragenden Gründen" zum Nutzenbewertungsbeschluss mit "Komparatoren" bezeichnet wurden. Der Erstattungsbetrag bilde regelmäßig den höchsten Preis ab, der für ein apothekenpflichtiges Arzneimittel in Deutschland einem Pharmaunternehmen zu zahlen sei. Die Festsetzung der weiteren, hiermit in engem Zusammenhang stehenden Vertragsinhalte sei von der Entscheidungsbefugnis der Schiedsstelle umfasst.