Insolvenzbedingtheit einer Arbeitslosigkeit trotz Beschäftigung in Transfergesellschaft

Auf die Mindestversicherungszeiten für eine abschlagsfreie Rente sind auch Zeiten von Arbeitslosigkeit im Anschluss an ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers anzurechnen. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht für den Fall entschieden, dass der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sind.

Kläger begehrte abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte

Der Kläger war bis zum 31.01.2012 bei einer Aktiengesellschaft und nach deren Insolvenzanmeldung im November 2011 noch vom 01.02.2012 bis zum 31.10.2012 in einer Transfergesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn der Altersrente am 01.07.2015 arbeitslos. In einem zwischen dem Kläger, dem Insolvenzverwalter der AG und dem Geschäftsführer der Transfergesellschaft geschlossenen dreiseitigen Vertrag wurde neben der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit der AG zugleich die Begründung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart. Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte.

Arbeitslosigkeit hier insolvenzbedingt?

Diese erfordert eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren und ist hier nur gegeben, wenn die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld des Klägers ab 01.11.2012 auf die Mindestversicherungszeiten angerechnet werden. Die beklagte Rentenversicherung lehnte den Antrag ab. Auf die Wartezeit von 45 Jahren würden Kalendermonate mit Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur angerechnet, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei. Das sei im Fall des Klägers, dessen letzter Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen sei, nicht der Fall. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

LSG gewährt volle Rente

Die Berufung hatte Erfolg. Das LSG hat die Beklagte zur Gewährung der begehrten Rente verurteilt. Die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit im Sinne des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 SGB VI seien auch dann erfüllt, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen sei und der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden seien.

Missbrauch hier ausgeschlossen

Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass mit der Einschränkung auf die Tatbestände "vollständige Geschäftsaufgabe" und "Insolvenz" vor allem Fehlanreize im Sinn einer gesteuerten Frühverrentung und durch Mitnahmeeffekte beim Arbeitslosengeld vermieden werden sollten. Das BSG habe bereits entschieden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld dann insolvenzbedingt sei, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht auf einer Erklärung des Arbeitgebers, sondern des Insolvenzverwalters beruhe. Dann könne ein Missbrauch durch Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen werden.

Andere Auslegung wäre arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv

Für diese Auslegung sprächen auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen. Die befristete Beschäftigung in einer Transfergesellschaft stehe in Zusammenhang mit dem Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach dem SGB III und solle dem Versicherten ermöglichen, eine Anschlussbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Es handele sich also primär um eine aktivierende Maßnahme. Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld sei aber ein noch bestehendes Beschäftigungsverhältnis. Würde man nun ältere Versicherte, die - wie der Kläger - nach eingetretener Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht mehr weiter beschäftigt werden könnten, faktisch zwingen, die insolvenzbedingte Kündigung abzuwarten, um nicht die Anwartschaft auf die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte zu verlieren, würde man sie der politisch ausdrücklich erwünschten Möglichkeit berauben, mit Hilfe der Förderungsmöglichkeiten in einer Transfergesellschaft doch noch eine Anschlussbeschäftigung zu finden und eine Arbeitslosigkeit gerade zu vermeiden. Das LSG hat die Revision zugelassen.

LSG Bayern, Urteil vom 01.07.2020 - L 1 R 457/18

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2020.