LSG Bayern: Psychische Erkrankungen aufgrund von Stress sind keine Berufskrankheiten

Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Bayern vom 27.04.2018 sind psychische Erkrankungen, die auf Stress zurückzuführen sind, keine Berufskrankheiten. Denn nicht jede Erkrankung, die auf eine berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden kann, sei ohne Weiteres eine Berufskrankheit. Vielmehr müsse die Erkrankung in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen sein oder zumindest kurz davor stehen. Hierfür fehle es bei Erkrankungen, die möglicherweise auf Stress zurückzuführen seien, an den erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Urteil vom 27.04.2018, Az.: L 3 U 233/15, BeckRS 2018, 12080).

Versicherungswirt zeigt Depressionen als Berufskrankheit an

Als selbstständiger Versicherungsfachwirt vermittelte der Kläger Versicherungen aller Art. Er war freiwillig bei der Berufsgenossenschaft versichert. Im Jahr 2014 zeigte er den Verdacht einer Berufskrankheit an, er leide an wiederkehrenden schweren Depressionen und Neurasthenie. Dies führte er zurück auf seine Tätigkeit, lange Arbeitszeiten, den Umgang mit teils schwierigen Kunden und Kollegen, mangelnden Rückhalt durch Vorgesetzte sowie schlechte technische Softwareausstattung.

Berufsgenossenschaft verneint erhöhtes Erkrankungsrisiko für Versicherungswirte

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab, da die geltend gemachten Erkrankungen nicht in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen seien und auch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse darüber vorlägen, welche Krankheitsbilder durch Stress verursacht würden und welcher Personenkreis hiervon besonders betroffen wäre. Insbesondere lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Tätigkeit als Versicherungsfachwirt im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein höheres Risiko berge, an Depressionen oder Neurasthenie zu erkranken.

LSG Bayern: Erkrankung nicht in Berufskrankheiten-Liste erfasst

Vor dem Sozialgericht Regensburg hatte die Klage auf Anerkennung einer Berufskrankheit und Entschädigung keinen Erfolg. Das Bayerische Landessozialgericht hat die Entscheidung des SG nun bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten auf psychiatrischem und psychotherapeutischem Fachgebiet stellte es fest, dass beim Kläger keine in der Berufskrankheiten-Liste erfasste Erkrankung vorliegt. Die vom Kläger geltend gemachten Depressionen, aber auch das Burnout-Syndrom sowie die Neurasthenie seien daher nicht als Berufskrankheiten aufgrund von Stress anzuerkennen.

Erkrankung auch nicht als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen

Es lägen auch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die eine Entschädigung als sogenannte Wie-Berufskrankheit ermöglichen würden. Da die gesetzliche Regelung im Unfallversicherungsrecht (§ 9 Abs. 2 SGB VII) keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel beinhalte, genüge es nicht, wenn in einem Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheiten-Liste enthaltenen Krankheit sei. Vielmehr müssten zumindest die Voraussetzungen für die Aufnahme in diese Liste erfüllt seien. Hierfür fehle es aber im Fall von Erkrankungen, die möglicherweise auf Stress zurückzuführen seien an den erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

LSG verweist auf Vielzahl möglicher Ursachen für Depressionen

Insbesondere werde im Zusammenhang mit Depressionen eine Vielzahl möglicher Ursachen diskutiert. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei jedenfalls keine gruppentypische Risikoerhöhung bei der Tätigkeit als Versicherungsfachwirt festzustellen.

LSG Bayern, Urteil vom 27.04.2018 - L 3 U 233/15

Redaktion beck-aktuell, 29. Juni 2018.

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