LSG Bayern: Jobcenter muss wegen fehlerhaften Mietspiegels höhere Zahlungen an Hartz-IV-Bezieher leisten

Das SGB II gibt den Leistungsberechtigten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe, soweit diese angemessen sind. Weil im konkreten Fall der vom Jobcenter zur Bemessung der Angemessenheitsgrenze für die Stadt Augsburg in der Zeit vom 01.11.2013 bis 31.08.2015 herangezogene grundsicherungsrelevante Mietspiegel in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts entsprach, hat das Landessozialgericht Bayern das Jobcenter dazu verurteilt, dem klagenden Leistungsbezieher höhere Leistungen zu gewähren. In einem Parallelverfahren entschied das LSG, dass auch die Fortschreibung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels für die Zeit ab 01.09.2015 keinen Bestand haben könne (Urteil vom 14.12.2017, Az.: L 7 AS 408/15 und L 7 AS 466/16).

Streit um angemessene Unterkunftskosten

Das beklagte Jobcenter hatte von November 2014 bis April 2015 statt der vom Leistungsberechtigten geschuldeten Miete in Höhe von 400 Euro lediglich die aus Sicht des Jobcenters für einen Ein-Personen-Haushalt im Zeitraum 01.11.2013 bis 31.08.2015 angemessenen Kosten in Höhe von 347,05 Euro monatlich bei der Leistungsberechnung berücksichtigt. Vor dem Sozialgericht Augsburg blieb die Klage auf höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Erfolg. Das LSG hat die Entscheidungen des SG aufgehoben und das Jobcenter dazu verurteilt, dem Kläger höhere Leistungen zu zahlen.

Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel entspricht nicht BSG-Vorgaben

Nach Auffassung des LSG entspricht der vom Jobcenter zur Bemessung der Angemessenheitsgrenze für die Stadt Augsburg in der Zeit vom 01.11.2013 bis 31.08.2015 herangezogene grundsicherungsrelevante Mietspiegel in einem wesentlichen Punkt nicht den Vorgaben des BSG. Zwar habe das Jobcenter eine Datenbasis von 10% des regionalen Wohnungsbestands für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte herangezogen. Der ausgewählte Wohnungsbestand von 16.765 Wohnungen setze sich allerdings im Wesentlichen aus Wohnungen von Wohnungsunternehmen (95%) und lediglich zu 5% aus Daten anderer Mietwohnungen zusammen. Diese Datenbasis ermögliche kein realitätsgerechtes Abbild der aktuellen Situation bei Neuanmietungen in der Stadt Augsburg, da ein derartiges Übergewicht an Wohnungen von Wohnungsunternehmen am Wohnungsmarkt nicht festgestellt werden könne, so das LSG.

Ermittelte Angemessenheitsgrenze hat keinen Bestand

Damit könne die vom Jobcenter ermittelte Angemessenheitsgrenze keinen Bestand haben, entschied das LSG weiter. Da auch anderweitige repräsentative Daten, auf deren Grundlage eine Angemessenheitsgrenze festgesetzt werden könnte, für 2013 bis 2015 nicht vorlägen und mit vertretbarem Aufwand auch nicht mehr beschafft werden könnten, sei das Jobcenter zur Übernahme von höheren Unterkunftskosten des Klägers zu verurteilen. Das seien hier 393,80 Euro monatlich. Einen höheren Betrag hatte der Kläger auch nicht gefordert. In einem Parallelverfahren entschied das LSG, dass damit auch die Fortschreibung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels für die Zeit ab 01.09.2015 keinen Bestand haben könne.

LSG Bayern, Urteil vom 14.12.2017 - L 7 AS 408/15

Redaktion beck-aktuell, 20. Dezember 2017.

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