Posttraumatische Belastungsstörung nach Vergewaltigung
Die zum Tatzeitpunkt 31-jährige Klägerin litt bereits seit längerer Zeit an einer psychischen Erkrankung, als sie im Oktober 2010 nachts auf dem Heimweg von einer Gaststätte vergewaltigt wurde. Der Täter nutzte dabei einen Asthma-Anfall der Frau aus, um ihren Widerstand zu brechen. Sie litt in der Folge unter Angstzuständen und Panikattacken. Medizinische Sachverständige diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung und einen Grad der Schädigung (GdS) von 20, was beides vom Landesversorgungsamt auch anerkannt wurde.
Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach "Deal" zugunsten des Vergewaltigers
Der Täter legte ein Geständnis ab und wurde im April 2011 im Strafverfahren aufgrund eines rechtlich zulässigen "Deals" wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Im Zuge und aufgrund der Erfahrungen im Strafprozess verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Klägerin. Mittlerweile ist sie erwerbsgemindert und lebt in einer betreuten Wohngruppe.
Amt lehnt Opferentschädigungsrente ab
Eine Rentengewährung nach dem Opferentschädigungsgesetz lehnte das Landesversorgungsamt ab, da die durch die Gewalttat verursachten Schädigungen nicht das dafür erforderliche Maß (GdS von 30) erreichten. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Frau hatte geltend gemacht, durch die Strafverhandlung erneut traumatisiert worden zu sein. Dass sie im Gerichtsverfahren nicht angehört worden sei und der Täter nach dem Deal das Gericht quasi als "freier Mann" habe verlassen können (der Täter wurde nach dem Prozess aus der Untersuchungshaft auf Bewährung freigelassen), habe einen Folgeschaden verursacht.
LSG spricht Klägerin Beschädigtenrente zu
Das LSG hat der Klägerin Recht gegeben, die erstinstanzliche Entscheidung geändert und das Landesversorgungsamt dazu verurteilt, der Klägerin eine Beschädigtenrente nach einem GdS von 30 zu zahlen, da es durch die für das Opfer demütigenden Erlebnisse im Strafverfahren zu einer Verstärkung der posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sei, wie medizinische Sachverständige bestätigt hätten. Der Deal zugunsten des Täters, der das Gericht als freier Mann verlassen habe können und die fehlende Aufarbeitung und Genugtuung für das Opfer, das im Strafverfahren nicht einmal angehört worden sei, obwohl Gutachter ihre Aussagefähigkeit bescheinigt hätten, seien für die Verschlechterung des Gesundheitszustands verantwortlich. Der erforderliche Ursachenzusammenhang liege vor. Denn ohne die Vergewaltigung wäre es nicht zu den sich anschließenden weiteren traumatisierenden Erlebnissen im Strafprozess gekommen. Diese Bewertung erfolge nach sozialrechtlichen Maßstäben, losgelöst vom Strafverfahren, betont das LSG.