Musterprozess: Beton-Hersteller schloss Scheinverträge mit rumänischen Staatsangehörigen

Einer der führenden Hersteller von Betonprodukten schloss zur Umgehung der Sozialversicherungspflicht Scheinverträge mit rumänischen Staatsangehörigen. Das entschied das baden-württembergische Landessozialgericht in einem Musterverfahren und bestätigte ein vorangegangenes Urteil des Sozialgerichts. Dort sind noch 28 Parallelverfahren anhängig.

Rumänische Staatsangehörige als selbstständige Unternehmer geführt

Die klagende X-GmbH ist einer der führenden Hersteller von Betonprodukten sowie Designelementen für die Gestaltung von Gärten, Terrassen und Außenanlagen und verfügt über verschiedene Betonwerke. Für sie sind seit Jahren zumeist rumänische Staatsangehörige tätig, die von ihr als selbstständige Unternehmer angesehen werden. Die rumänischen Staatsangehörigen gründeten laut Feststellungen des LSG dazu zahlreiche GbRs, bestehend aus jeweils zwei oder mehr Personen. Alle Gesellschaftsverträge hatten denselben Wortlaut und das identische Schriftbild. Ferner hatten alle GbRs dieselbe Geschäftsanschrift, die identisch mit der Wohnanschrift aller rumänischen Gesellschafter in der Gemeinschaftsunterkunft ist. Laut den Verträgen sollten die Gesellschafter keine Sach- und Bareinlagen einbringen, sondern ihre gesamte Arbeitskraft. Mit den GbRs schloss die X-GmbH Rahmen- und Werkverträge. Als Ansprechpartner für Verhandlungen zwischen ihr und allen GbRs fungierte der Mittelsmann M. Die X-GmbH stellte für die Arbeiten Anlagen, Betriebsmittel und Zubehör zur Verfügung.

X-GmbH beantragt Statusfeststellung der Gesellschafter

Im Oktober 2015 beantragte dem Gericht zufolge die X-GmbH die Statusfeststellung der Gesellschafter der GbRs, unter anderem der V-GbR, deren Gesellschafter der Beigeladene ist. Sie gab an, die Auftragnehmer seien selbstständig tätig. Sie dürften die Aufträge delegieren, würden nur bei ordnungsgemäßer Erfüllung bezahlt und seien ansonsten bei Nicht- oder Schlechtleistung sowie für Schäden haftbar. Sie seien nicht eingegliedert. Die Durchführung der Aufträge werde nicht kontrolliert, sondern nur das fertige Werk abgenommen. Kurz darauf beantragten auch die Gesellschafter unter anderem der V-GbR die Statusfeststellung. Sie gaben an, Arbeitnehmer zu beschäftigen und außer für die X-GmbH für zwei weitere Auftraggeber tätig zu sein.

Gerichte bejahen Sozialversicherungspflicht

Mit Bescheiden vom 24.04.2017 stellte die Beklagte laut Gericht gegenüber der X-GmbH sowie dem beigeladenen rumänischen Staatsangehörigen und Gesellschafter der V-GbR fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen für die X-GmbH ab dem 19.10.2015 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolge und Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe: Wesentliche Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit lägen nicht vor. So erfolge die Tätigkeit auf dem Betriebsgelände der X-GmbH mit deren Maschinen und Arbeitsmaterialien. Die Arbeitszeiten seien nicht frei wählbar. Es bestehe kein eigenes unternehmerisches Handeln mit entsprechenden Chancen und Risiken und kein eigener Kapitaleinsatz mit Gefahr des Verlustes. Die hiergegen gerichtete Klage der X-GmbH wies das Sozialgericht ab, das LSG hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

LSG: Kein ernsthafter Rechtsbindungswille erkennbar

Das LSG stellte fest, dass ein ernsthafter Rechtsbindungswille des Beigeladenen, seine Tätigkeit in der Rechtsform der GbR auszuüben, seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht zu entnehmen sei. Der Beigeladene habe mangels Sprachkenntnissen die Tragweite und die Umstände der GbR-Gründung nicht erfassen können. Er habe auch bestätigt, dass er nur habe arbeiten wollen und einfach das unterschrieben habe, was ihm von der X-GmbH und dem Mittelsmann M vorgelegt wurde. Der Beigeladene habe weder seine Rechtsposition als Gesellschafter erfasst noch die Tatsache, dass die GbR in die Rechtsbeziehung zwischen ihn und die X-GmbH geschaltet wurde, um die Sozialversicherungspflicht zu umgehen, so das LSG.

LSG: GbR nur "leere Hülse"

Vielmehr habe die GbR eine leere Hülse dargestellt, die nur zum Schein gegründet worden sei. Dementsprechend hätten sämtliche GbRs inhaltsgleiche Vereinbarungen und als Geschäftsadresse das Wohnheim der rumänischen Arbeitskräfte angegeben. Es handele sich somit um ein von der X-GmbH entworfenes Konstrukt, das den rumänischen Arbeitern einseitig und ohne Mitwirkung und Einflussnahme auf die Ausgestaltung zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Den rumänischen Arbeitern sei es nur darum gegangen zu arbeiten, ohne dass sie die rechtlichen Umstände der Beschäftigung hätten erfassen und beeinflussen können, so das LSG.

Betriebliche Eingliederung und kein unternehmerisches Risiko

Auch sei der Beigeladene in den Betrieb der X-GmbH eingegliedert und deren Weisungen unterlegen gewesen, heißt es im Urteil weiter. Er hätte keinerlei unternehmerisches Risiko getragen und weder über eine eigene Betriebsstätte noch über Betriebsmittel verfügt. Auch nach dem Gesellschaftsvertrag habe er keine Bar- und Sachmittel, sondern nur seine Arbeitskraft eingebracht.

V-GbR unwirksame Scheinkonstruktion

Der Beigeladene habe laut Gericht auch keine konkreten Angaben über die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch die V-GbR machen können. Da die Preise für sämtliche GbRs gleich gewesen seien, liege eine einheitliche Preisvorgabe und -gestaltung durch die X-GmbH für alle GbRs nahe. Nach alledem habe es sich bei der V-GbR um eine nach § 117 BGB unwirksame Scheinkonstruktion gehandelt, bei welcher der Beigeladene lediglich als Marionette von M sowie der X-GmbH fungiert habe, so das Gericht.

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2021 - .10.2021 L 8

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2021.