Jobcenter streicht Leistungen – Vermieter klagt wegen Mietrückständen auf Räumung
Der Kläger, der an einer ausgeprägten chronifizierten seelischen Störung leidet, bezog seit 2005 SGB-II-Leistungen. Bereits seit 2009 war zwischen ihm und dem Jobcenter die Frage seiner Erwerbsfähigkeit im Streit. Ende 2011 forderte ihn das Jobcenter auf, Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Außerdem bat das Jobcenter die Deutsche Rentenversicherung (DRV) um Prüfung der Erwerbsfähigkeit und stellte dort selbst für den Kläger einen Rentenantrag. Die DRV leitete im August 2012 das Rentenverfahren ein. Ab 01.02.2013 strich das Jobcenter dem Kläger sämtliche Leistungen, da er im Rentenverfahren die Antragsformulare nicht ausgefüllt und daher nicht ausreichend mitgewirkt habe. In der Folge konnte der Kläger seine Miete nicht mehr bezahlen. Sein Vermieter erhob Räumungsklage wegen Mietrückständen.
Nach Begleichung der Rückstände Klage erledigt
Nachdem die DRV im Juni 2013 dem Jobcenter mitgeteilt hatte, dass ausgefüllte Antragsformulare vorlägen, bewilligte das Jobcenter wieder SGB-II-Leistungen. Die Mietrückstände wurden ausgeglichen und die Räumungsklage zurückgezogen. Jedoch setzte das Amtsgericht Gerichtskosten in Höhe von 857,68 Euro fest, die dem Kläger in Rechnung gestellt wurden.
Streit um Übernahme der Gerichtskosten durch Jobcenter
Das Jobcenter weigerte sich, diese Kosten zu übernehmen. Widerspruch und Klage in erster Instanz blieben erfolglos. Das Sozialgericht Konstanz hat sich der Argumentation des Jobcenters angeschlossen, wonach Kosten einer Räumungsklage nicht als Bedarfe der Unterkunft berücksichtigungsfähig seien.
LSG: Gerichtskosten als Unterkunftskosten zu berücksichtigen
Das LSG hat das anders bewertet und dem Kläger Recht gegeben. Das Jobcenter hätte die Leistungen nicht ab 01.02.2013 streichen dürfen. Dadurch seien ohne Verschulden des Klägers die Mietrückstände entstanden und es zur Räumungsklage gekommen. Deren Kosten seien aufgrund einer unrichtigen Sachbehandlung des Jobcenters im Zusammenhang mit dem Bedarf an Wohnraum angefallen und könnten daher als Unterkunftskosten berücksichtigt werden.
LSG zieht Erforderlichkeit der Antragsabgabe in Zweifel
Im Einzelnen hat das LSG ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass die Abgabe von Antragsformularen der DRV zur Klärung des Sachverhalts überhaupt erforderlich gewesen ist. Jedenfalls sei die Sachverhaltsaufklärung hierdurch nicht wesentlich erschwert worden. Eine Verknüpfung der Antragsformulare mit dem Verfahren zur Klärung der Erwerbsfähigkeit bestehe nicht. Für die gutachterliche Stellungnahme benötige es keine Antragsformulare.
Ermessensausübung durch Jobcenter unzureichend
Außerdem habe das Jobcenter bei der Versagung der Leistungen das ihm zustehende Ermessen unzureichend ausgeübt, da sich zu maßgeblichen Gesichtspunkten und Fragen keine Ausführungen in den Versagungsbescheiden fänden, zum Beispiel darüber, ob dem Kläger trotz seiner psychischen Erkrankung das geforderte Verhalten abverlangt werden konnte. Auch habe das Jobcenter erörtern müssen, weshalb es eine Versagung sämtlicher Leistungen und in vollem Umfang für notwendig erachtet hat. Auch fehlten Ausführungen dazu, ob das Jobcenter erkannt hat, welche Auswirkungen eine vollständige Versagung für den Kläger (auch mit Blick auf eine drohende Wohnungslosigkeit) haben wird.
Begründung des Jobcenters vor allem wegen Betroffenheit des Existenzminimums unzureichend
Da der Kläger in jedem Fall einen Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums hatte, entweder beim Jobcenter oder im Fall der Erwerbsminderung beim Sozialamt, hätte auch nachvollziehbar begründet werden müssen, warum die Behörde dieses Existenzminimum aufgrund nicht erfüllter Mitwirkungspflichten nicht mehr gewährleisten will. Dies gelte umso mehr, als hier nicht nur der tägliche Bedarf, sondern der Lebensmittelpunkt einer seit Jahren bewohnten kleinen Wohnung betroffen ist. Das LSG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.