Versicherte entscheidet sich nachträglich für abschlagsfreie "Rente mit 63"
Die 1954 geborene Versicherte erhielt im Herbst 2006 von der Rentenversicherung die Auskunft, ihr frühestmöglicher Rentenbeginn sei der 01.06.2016, verbunden mit einem Abschlag von 10,8%. Sie vereinbarte darauf im November 2006 mit ihrem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell (Ende der Freistellungsphase 31.05.2016), um anschließend Altersrente in Anspruch zu nehmen. Nachdem der Gesetzgeber zum 01.07.2014 die abschlagsfreie "Rente mit 63" (Altersrente für besonders langjährig Versicherte) eingeführt und die Klägerin, die bereits mehr als 45 Jahre gearbeitet hatte, hiervon erfuhr, änderte sie ihren Entschluss und meldete sich zum Ende der Freistellungsphase arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2016. Der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) teilte sie mit, sie könne ab dem 01.10.2017 abschlagsfrei in Altersrente gehen. Dies sei bei Abschluss der Altersteilzeit nicht absehbar gewesen.
Bundesagentur für Arbeit verhängt Sperrzeit
Die BA stellte eine Sperrzeit von zwölf Wochen fest und bewilligte Arbeitslosengeld erst ab dem 23.08.2016. Die Versicherte habe selbst die Beschäftigungslosigkeit herbeigeführt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.
LSG: Versicherte hat Arbeitslosigkeit selbst zu vertreten
Das LSG Baden-Württemberg hat der BA Recht gegeben. Die Klägerin habe selbst die Beschäftigungslosigkeit herbeigeführt. Zwar habe sie zum damaligen Zeitpunkt der Altersteilzeitvereinbarung einen wichtigen Grund für die geplante Arbeitsaufgabe gehabt, da sie nach dem Ende der Freistellungsphase nahtlos in den Rentenbezug wechseln wollte. Sie habe sich aber umentschieden, womit der wichtige Grund entfallen sei. Die Verschiebung des Rentenbeginns um 15 Monate und die eingetretene Arbeitslosigkeit habe sie selbst zu vertreten. Die Versichertengemeinschaft (die Beitragszahler) haben für solche Versicherungsfälle, die der Betreffende selbst herbeiführt, nicht in vollem Umfang einzustehen, weshalb die Sperrzeit gerechtfertigt sei.
Revision wegen uneinheitlicher Rechtsprechung der Sozial- und Landessozialgerichte zugelassen
Die Frage, ob sich ein Arbeitsloser auf einen wichtigen Grund berufen kann, der bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollte, diesen Entschluss dann aber im Hinblick auf die 2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz geschaffene Möglichkeit ändert, um zu einem späteren Zeitpunkt eine abschlagsfreie Altersrente mit 63 in Anspruch zu nehmen, ist derzeit in der Rechtsprechung der Sozialgerichte und der Landessozialgerichte umstritten und betrifft eine Vielzahl von Fällen. So haben zum Beispiel die Sozialgerichte in Karlsruhe, Speyer, Kassel und Marburg sowie das LSG Berlin-Brandenburg den betreffenden Personen einen fortbestehenden wichtigen Grund zugebilligt, während die Landessozialgerichte in Rheinland-Pfalz, und Baden-Württemberg diesen verneint haben. Vor diesem Hintergrund hat das LSG Baden-Württemberg die Revision zum Bundessozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.