Prozess gegen “Gruppe Freital“ eröffnet

Am 07.01.2017 begann in Dresden der Prozess gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen der “Gruppe Freital“. Laut Anklage des Generalbundesanwalts haben sich die acht Beschuldigten im Alter zwischen 19 und 39 Jahren spätestens im Juli 2015 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen. Fünf Anschläge auf Asylbewerber und politisch Andersdenkende werden den Beschuldigten zur Last gelegt.

Arbeitsteiliges Vorgehen der Gruppe

Mit ihren zwischen Juli und November 2015 begangenen Taten hätten die Angeklagten die "Bevölkerung verunsichern" und ein Klima der Angst erzeugen wollen, sagte Bundesanwalt Jörn Hauschild. Ziel der Gruppe sei es gewesen, ihre "rechtsextremistische Gesinnung mittels Anschlägen durchzusetzen". Laut Anklage ging die Gruppe arbeitsteilig vor. Als führender Kopf gilt der aus Hamburg stammende Neonazi Timo S. Sein Gesinnungsgenosse Patrick F. sei für die technischen Details der Anschläge zuständig gewesen, hieß es. Er habe die Sprengsätze vorbereitet. Zum Einsatz kamen illegale Böller, von denen einige die 130-fache Sprengkraft der in Deutschland zulässigen Pyrotechnik besaßen.

Angeklagte schweigen nach Antragszurückstellung

Der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann setzte die Anklageverlesung entgegen Anträgen der Verteidiger durch. Diese hatten zuvor sowohl die Besetzung des Gerichts bemängelt als auch einen Befangenheitsantrag gegen Fresemann stellen wollen. Die Verteidiger bemängelten, dass der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichtes eigens für dieses Verfahren zusammengestellt wurde und sprachen von einer "gezielten Richterzuweisung". Damit sehen sie das Gericht als befangen an. Die Antragsstellungen wurden auf Beschluss des Gerichts zunächst zurückgestellt. Sieben der acht Angeklagten weigerten sich deshalb, Angaben zu ihrer Person zu machen. Der Prozess hatte am Vormittag unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Zuschauer und Medienvertreter mussten Sicherheitsschleusen durchqueren. Zunächst hatte sich der Einlass verzögert, weil zwei Sprengstoffspürhunde im Bereich einer Toilette angeschlagen hatten und im Saal ein merkwürdiger Geruch wahrgenommen wurde. Kurze Zeit später konnte die Polizei aber Entwarnung geben: Die Hunde hätten auf ein Gummireinigungsmittel reagiert.

Anschlagsserie mit Sprengstoff

Laut Anklage beginnt die Anschlagsserie mit der Sprengung des Autos eines Freitaler Stadtrats der Linken am 27.07.2015. Verletzt wurde niemand, am Wagen des Stadtrats und zwei daneben abgestellten Fahrzeugen entstand aber erheblicher Schaden. In der Nacht des 19.07.2015 explodierte ein an einem Küchenfenster einer Flüchtlingsunterkunft in Freital angebrachter Sprengkörper. Es entstand wiederum Sachschaden, die acht Bewohner der Unterkunft blieben nur deshalb unverletzt, weil sich zum Tatzeitpunkt niemand in der Küche aufhielt. Am 20.09.2015 kam es erneut zu einem nächtlichen Sprengstoffanschlag. Diesmal war ein Parteibüro der Linken in Freital das Ziel. Wieder entstand erheblicher Sachschaden, als Pyrotechnik an einer Fensterscheibe des Büros gezündet wurde. Am 19.10.2015 warfen Mitglieder der Gruppe Pflastersteine und teils mit Buttersäure präparierte Sprengkörper auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden. Ein Bewohner der “Mangelwirtschaft“ wurde verletzt.

Ermittlungen gegen sieben Verdächtige

Am 01.11.2015 war erneut eine Flüchtlingsunterkunft in Freital Ziel eines Anschlags. An drei Fenstern einer von Asylbewerbern genutzten Wohnung explodierten Sprengkörper. Ein Syrer wurde von Glasscherben im Gesicht getroffen und verletzt. Vier Tage später wurden bei einer Razzia von Polizei und Staatsanwaltschaft in Dresden und Freital neun Wohnungen durchsucht. Timo S., Patrick F., Philipp W. und Maria K. wurden verhaftet, der Haftbefehl gegen K. aber wieder außer Vollzug gesetzt. Insgesamt wird gegen sieben Verdächtige ermittelt. Bei den Durchsuchungen wurden neben Pyrotechnik auch Nazi-Devotionalien gefunden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen sowie versuchte oder vollendete gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vor.

Verfahren nach Terrorverdacht beim Generalbundesanwalt

Im Februar 2016 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen Timo S., Patrick F., Philipp W., Justin S. und Maria K. wegen der Angriffe auf die “Mangelwirtschaft“ und eine Flüchtlingsunterkunft in Freital. Anfang April übernahm der Generalbundesanwalt das Verfahren und ermittelte wegen Terrorverdachts. Bei einer weiteren Razzia - an der im Auftrag des Generalbundesanwalts nun auch die Spezialeinheit GSG 9 beteiligt war, werden Justin S., Rico K., Sebastian W., Mike S. und Maria K. festgenommen. Seither sitzen alle acht Beschuldigten in U-Haft. Am 22.02.2016 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Dresden Anklage. Neben der Bildung einer terroristischen Vereinigung sollen sich die Beschuldigten auch wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen verantworten.

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2017 (dpa).

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