Beschlagnahmte Sachen müssen an den Inhaber zurückgegeben werden, wenn sie für das Ermittlungsverfahren nicht mehr gebraucht werden. Das gilt allerdings nicht für Kryptogeld, wie das Opfer eines Hackerangriffs mit Lösegeld-Erpressung herausfinden musste. Weil § 111n StPO, der die Herausgabe regelt, ausdrücklich von beweglichen Sachen spricht, musste der Firmeninhaber auf ein rechtskräftiges Urteil warten (Beschluss vom 14.04.2025 – 2 Qs 35/25 802 Js 42232/23).
Dem Inhaber einer Firma für Prämienverwaltung und Schadensregulierung für Elektroversicherungen spielten Hacker übel mit: Im März 2023 wurde er Opfer eines Ransomware-Angriffs. Die Täter knackten das IT-System und verschlüsselten die Datenbanken einschließlich der Kundendaten. Für die Freigabe verlangten sie ein Lösegeld von 400.000 US-Dollar. Der Geschäftsmann einigte sich mit den Unbekannten schließlich auf eine Überweisung von 7,41598504 Bitcoin zum damaligen Kurswert von 202.000 Euro, das auf mehrere Bitcoin-Wallets – also digitalen Geldbörsen, - verteilt wurde.
Fahnder konnten immerhin den Inhaber eines der Wallets ermitteln. Das AG Dortmund ordnete daraufhin einen Arrest in sein bewegliches und unbewegliches Vermögen an, und die Staatsanwaltschaft pfändete dessen sämtliche Krypto-Ansprüche bis zur Gesamtsumme des Lösegelds. Da ein Nachweis individueller Bitcoins nicht möglich sei, zog die Justiz den entsprechenden Wert ein. Die Bitcoin landeten bei der nordrhein-westfälischen Polizei.
Kryptowährung hat keine Sachqualität
Das Geld wollte sich der geschädigte Firmeninhaber nun schleunigst zurückholen. Doch mit seinem Antrag auf eine sofortige Notveräußerung durch die Behörden wegen drohenden Wertverlusts gem. § 111p StPO scheiterte er sowohl vor dem AG als auch dem LG Verden. Die Richter pochten auf § 111n StPO, wonach zwar bewegliche Sachen, die beschlagnahmt worden sind, herauszugeben sind, wenn sie für das Strafverfahren nicht mehr benötigt werden. Doch eben dies seien Forderungen und Daten nicht, sondern nur die Urkunden und Datenträger, auf denen sie gespeichert seien: "Bei Kryptowerten handelt es sich um digitale Vermögenswerte ohne Sachqualität."
Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift lehnte die Große Strafkammer ab. Es handele sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke, die dies erlaubt hätte. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Herausgabe von nicht beweglichen Sachen an den letzten Gewahrsamsinhaber oder den Geschädigten im Ermittlungsverfahren bewusst nicht geregelt, damit sie nach ihrer Beschlagnahme nicht im Zuge einer vorläufigen Entscheidung herausgeben werden sollen.
Daran ändere auch nichts, dass § 94 StPO, der die Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken regelt, den Anwendungsbereich weiter fasse. In § 111c StPO, der die Vollziehung regelt, stünden ausdrücklich drei verschiedene Kategorien, und diese Norm unterscheide etwa zwischen beweglichen Sachen und Forderungen sowie anderen Vermögensrechten. Auch die zivilrechtlichen Vorschriften zögen hier nicht. Schließlich gebe es kein besitzähnliches Herrschaftsverhältnis an einem individualisierbaren Bitcoin, sondern das Guthaben werde ähnlich wie bei sonstigem Buchgeld als Saldo einer Bitcoin-Adresse festgehalten.
Notausgang: Notverkauf durch Staatsanwaltschaft
Wobei die Strafrichter durchaus Verständnis für die Sorgen des gebeutelten Kriminalitätsopfers hatten. Die Kammer verkenne nicht, dass die maßgeblichen Vorschriften im Wesentlichen vor der Entwicklung von Kryptowerten entstanden und seither unverändert geblieben seien, heißt es in dem Beschluss. Für eine Befriedigung im Ermittlungsverfahren stünden dessen Interesse aber die berechtigen Ansprüche anderer Geschädigter gegenüber, deren Umfang im laufenden Ermittlungsverfahren noch unklar sei. Tatsächlich bestehe bei Kryptowährungen wegen ihrer Volatilität ein erhebliches Kurs- bzw. Marktrisiko. So sei seit der Solan-Überweisung bereits ein Verlust von 33,75 Prozent eingetreten (und zwischen Januar und April 2025 sogar von 62,14 Prozent), heißt es in dem Entscheid. Doch um dem zu begegnen, könne die Staatsanwaltschaft "nach pflichtgemäßem Ermessen" einem Notverkauf zustimmen.