Land vermarktet Rundholz aus Privateigentum
In den Jahren 1978 bis 2016 vermarktete das Land Baden-Württemberg Rundholz aus Wäldern, die im Eigentum baden-württembergischer Kommunen oder Privater standen zusammen mit Rundholz aus landeseigenen Staatswäldern. Im Zusammenhang mit dieser Holzvermarktungspraxis sind beim LG Stuttgart mehrere Verfahren über Ansprüche von 95 Sägewerken anhängig. Die Kläger sind der Auffassung, dass die kartellrechtswidrige Holzvermarktung des Landes für die in der Sägeindustrie tätigen Unternehmen deutlich überhöhte Einkaufspreise zur Folge gehabt habe. Für hieraus entstandene Schäden hafte das Land Baden-Württemberg. Für den nunmehr erstinstanzlich entschiedenen Rechtsstreit hatten sich 36 Sägewerke zusammengetan und ihre etwaigen Ansprüche an eine GmbH abgetreten, die ausschließlich zum Führen des Verfahrens gegründet wurde. Sie ist Teil eines börsennotierten US-Amerikanischen Konzerns, der auf die Prozessfinanzierung spezialisiert ist.
Unzulässiges Abtretungsmodell
Nach Ansicht der Kammer verfügt die Klägerin im Streitfall nicht über die erforderliche Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Das "Sammelklage-Inkasso" sei wegen Verstoßes gegen §§ 3, 2 Abs. 1 RDG in Verbindung mit §§ 10 Abs. 1, 2 Abs. 2, 11 Abs. 1 RDG unzulässig. Mit dem vorliegenden Abtretungsmodell und der Sammelklage erbringe die Klägerin keine zulässige Inkassodienstleistung. Vielmehr biete sie Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des Kartellrechts an. Sowohl die Rechtsfragen als auch die zu beurteilenden Sachverhalte seien im Kartellschadensersatzrecht aber regelmäßig wesentlich komplexer als bei einer üblichen Inkassodienstleistung. So seien regelmäßig unter anderem umfassende ökonomische und ökonometrische Feststellungen zum Marktgeschehen auf verschiedenen Märkten und Marktstufen und dem Einfluss des behaupteten Kartells hierauf zu treffen. Damit überschreite die als Inkassodienstleiterin registrierte Klägerin die ihr erteilte Rechtsdienstleistungserlaubnis.
Interessenskonflikte bedrohen ordnungsgemäße Erbringung von Rechtsdienstleistungen
Zudem bestünden Interessenskonflikte, die die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung durch die Klägerin gegenüber den Sägewerken gefährdeten. Solche Rechtsdienstleistungen seien gemäß § 4 RDG untersagt. Zum einen hätten die Ansprüche der einzelnen Sägewerke unterschiedlich hohe Erfolgsaussichten. So seien beispielsweise einzelne Verträge zur Forderungsübertragung streitig, was den Rechtsstreit für alle in die Länge ziehe. Zum anderen habe die Klägerin als Tochtergesellschaft des Prozessfinanzierungskonzerns diesem gegenüber eine Treuepflicht und müsse dessen Weisungen Folge leisten, auch wenn diese den Interessen der Sägewerke zuwiderliefen. Zudem sei die Klägerin von ihrer Muttergesellschaft als Kapitalgeberin auch finanziell abhängig. Schließlich gefährde auch die zwischen der Klägerin und den Sägewerken vereinbarte Vergütung die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung für die Sägewerke. Das Vergütungsmodell setze Anreize für eine kostenintensive Prozessführung zu Lasten der Sägewerke. Denn die Klägerin bekomme von etwaigen Zahlungen des beklagten Landes zunächst die eigenen Kosten und Kostenrisiken in dreifacher Höhe erstattet. Erst der verbleibende Restbetrag werde zwischen der Klägerin und den Sägewerken prozentual aufgeteilt. Damit sei der Gewinn der Klägerin umso höher, je höher die Kosten der Rechtsverfolgung seien.
Holzstreit beschäftigt Gerichte schon seit Jahren
Die damalige Vermarktungspraxis des Landes Baden-Württemberg war bereits Gegenstand eines beim Bundeskartellamt geführten Kartellverfahrens. 2008 hatte sich das Land Baden-Württemberg mit dem Bundeskartellamt darauf geeinigt, den gebündelten Rundholzverkauf für größere Forstbetriebe einzustellen. Das 2012 vom Bundeskartellamt wiederaufgenommene Verfahren endete aus formalen Gründen ohne Entscheidung darüber, ob die gebündelte Rundholzvermarktung rechtlich zulässig oder aber kartellrechtswidrig ist. Das beklagte Land verteidigt sein Vorgehen damit, dass es nicht zu einem höheren Preis geführt habe, sondern der Preis vielmehr ohne den gebündelten Rundholzverkauf gestiegen wäre. Gegen das nunmehr gefällte Urteil kann die Klägerin Berufung einlegen.