LG-Präsidentinnen und LG-Präsidenten fordern Stärkung der Handelskammern

Am 16.09.2021 fand in Frankfurt am Main ein länderübergreifendes Meeting zum Qualitätsmanagement mit den Präsidentinnen und Präsidenten der großen Landgerichte als Online-Konferenz statt. Die Teilnehmenden nannten Bereiche, in denen die Gerichte in Deutschland zukunftsfähig zu machen sind. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sie sich unter anderem für eine Stärkung der Kammern für Handelssachen aus.

Handelskammer in Konkurrenz zu privaten Schiedsgerichten

Die staatlichen Gerichte stehen laut Erklärung bei wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten zunehmend in Konkurrenz zu privaten Schiedsgerichten. Insbesondere die Kammern für Handelssachen müssten künftig gerade für mittelständische Unternehmen das Mittel der Wahl darstellen, um in hoher Qualität und zeitnah einen Rechtsstreit ökonomisch sinnvoll zu erledigen, heißt es in der Erklärung weiter. Bislang entscheiden in Handelskammern ein Berufsrichter und zwei Handelsrichter als Laien. Die Präsidentinnen und Präsidenten der großen Landgerichte fordern, die Zahl der Berufsrichter an den Kammern für Handelssachen auf drei Richter zu erhöhen. Denn in komplexen Verfahren könne die Befassung mehrerer Berufsrichter eine Arbeitsteilung und den professionellen Austausch innerhalb der Kammer zur optimalen Vorbereitung der Verfahren und Verhandlungen ermöglichen und die Effizienz und Expertise der Kammer steigern. Denn Entscheidungen durch mehrere Berufsrichter böten eine bessere Gewähr für hohe Qualität und leisteten darüber hinaus einen Beitrag zur Entwicklung spezialisierter richterlicher Kompetenz.

Kein Verzicht auf Laienrichter

Die Beteiligung von Handelsrichtern als juristischen Laien ist daneben laut Erklärung weiter unverzichtbar, um die für den jeweiligen Rechtsstreit zentralen ökonomischen Hintergründe und Zusammenhänge vollständig zu erfassen, die in der Entwicklung und Erarbeitung gerichtlicher Vorschläge und Entscheidungen abzuwägen sind. Ihre Beteiligung insbesondere an den großen Gerichtsstandorten hat sich nach übereinstimmender Einschätzung der Präsidentinnen und Präsidenten überaus bewährt. Es wäre jedoch ein Gewinn, die spezifischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten der Handelsrichter noch gezielter zu nutzen, heißt es in der Erklärung weiter. Hierzu sollte an den Gerichten ein Pool von Handelsrichtern geschaffen werden. Dadurch könnten diejenigen Handelsrichter ausgewählt werden, die mit den Usancen der jeweiligen Branche am besten vertraut sind und dort eine spezifische Expertise haben.

Schlechtes Zeugnis für Musterfeststellungsklage

Handlungsbedarf gibt es für die teilnehmenden LG-Präsidentinnen und LG-Präsidenten auch im Zusammenhang mit Massenverfahren. Hier hätten Klagewellen in den letzten Jahren erheblich zugenommen, etwa in den sogenannten Abgasfällen, jüngst nach der Insolvenz der Wirecard AG oder generell bei bestimmten Kapitalanlagen. Spezialisierte Anwaltskanzleien und die Digitalisierung des Rechtsmarktes befeuerten zudem diese Klagewellen. Der Justiz fehlten geeignete prozessuale Mittel, um dieser Masse an Verfahren Herr zu werden. Die im Jahr 2018 eingeführte Musterfeststellungsklage habe sich als wenig tauglich erwiesen und nicht die vom Gesetzgeber prophezeite Verbreitung gefunden. Die Konferenzteilnehmer sprechen sich für die Schaffung weiterer Instrumente aus und fordern den Gesetzgeber auf, die Aussetzung von individuellen Klagen einzelner Verbraucher bis zum Abschluss einer Muster- oder Verbandsklage oder bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung in parallelen Rechtstreitigkeiten zu ermöglichen. Auf diese Weise könnten Ressourcen gebündelt und letzten Endes die Gesamtheit der Klagen schneller erledigt werden.

Höhere Amtszulagen für besonders verantwortungsvolle richterliche Tätigkeiten

Für besonders anspruchsvolle richterliche Aufgaben und insbesondere im Bereich der Justizverwaltung bestehe der ständige und dringende Bedarf an hoch qualifizierten und motivierten Richterinnen und Richtern, heißt es abschließend in der Erklärung. Um die Übernahme dieser wichtigen Tätigkeiten für geeignete Kandidaten attraktiver zu machen, sollten die betreffenden Vorsitzendenstellen mit Amtszulagen versehen werden. Die Besoldungsregelungen in Bayern und Baden-Württemberg sähen Derartiges für Vorsitzende als sogenannte Weitere Aufsichtsführende Richter an den Landgerichten bereits vor. Diesem Vorbild sollten die anderen Länder folgen. Durch die Amtszulage würden die Aussichten im Wettbewerb um Führungspositionen maßgeblich verbessert und damit ein Engagement in der Gerichtsverwaltung für die richterliche Laufbahn deutlich attraktiver.

Länderübergreifendes Qualitätsmanagement

Die Präsidentinnen und Präsidenten der großen Landgerichte in Deutschland treffen sich ein- bis zweimal jährlich zu einem Erfahrungs- und Meinungsaustausch, dieses Mal auf Einladung des Präsidenten des Frankfurter Landgerichts Wilhelm Wolf. Es nehmen regelmäßig teil die Präsidentinnen und Präsidenten der Landgerichte Bamberg, Berlin, Bonn, Braunschweig, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hildesheim, Koblenz, Köln, Landshut, Leipzig, München I, Nürnberg-Fürth, Osnabrück, Rostock, Saarbrücken und Stuttgart.

Redaktion beck-aktuell, 21. September 2021.