LG Paderborn: Freispruch für 17-Jährigen im Missbrauchsfall Lügde

Das Landgericht Paderborn hat einen heute 17-Jährigen freigesprochen, der im Missbrauchsfall Lügde vom Opfer zum Täter geworden sein soll. Das teilte ein Sprecher am 31.10.2019 mit. Demnach schlossen sich die Richter in ihrem Urteil vom selben Tag den Ausführungen eines Gutachters an. Der Experte hatte dem Angeklagten die strafrechtliche Verantwortungsreife abgesprochen (Az.: 5 Kls 16/19).

Angeklagten wurde Missbrauch mehrerer Kinder vorgeworfen

Laut Jugendgerichtsgesetz (JGG) kann ein Jugendlicher nur verurteilt werden, wenn seine geistige Entwicklung dies zulässt. Voraussetzung ist, dass er das Unrecht seiner Taten einsieht und danach handelt. Die Anklage hatte ihm sexuellen Missbrauch mehrerer Kinder vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich nach Angaben des Verteidigers des 17-Jährigen für eine Freiheitsstrafe auf Bewährung unter der Auflage ausgesprochen, dass der Jugendliche seine Therapie fortsetzt. Dem folgten die Richter nun nicht.

Opfer wurde selbst zum Täter

Der 17-Jährige, der jetzt freigesprochen wurde, war unter den Opfern der beiden bereits verurteilten Haupttäter. Laut Staatsanwaltschaft wurde der Jugendliche später selbst zum Täter. Sein Verteidiger hatte vor dem LG Paderborn die in der Anklage beschriebenen Taten eingeräumt. Die Kammer verwies auf die Umstände und das Ausmaß des vorhergehenden sexuellen Missbrauchs des Angeklagten durch einen der Lügde-Täter. Sie betonte, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die nicht auf andere Fälle übertragbar sei. Alle Verhandlungstage fanden zum Schutz des Jugendlichen, der aus Ostwestfalen stammt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das galt auch für die Urteilsverkündung.

Begonnene Therapie soll fortgesetzt werden

Der Anwalt des 17-Jährigen hatte auf Freispruch plädiert. Der Verteidiger hatte sich bereits zum Prozessauftakt dafür ausgesprochen, dass sein Mandant eine begonnene Therapie nach einem Urteil fortsetzen kann. Die Therapie werde noch zwei bis drei Jahren dauern, sagte Rechtsanwalt Thorsten Fust über seinen Mandanten.

Langjährige Haftstrafen für Hauptangeklagte

Im Missbrauchsfall Lügde hatten zwei Männer auf einem Campingplatz an der Grenze zu Niedersachsen über Jahre zahlreiche Kinder zum Teil schwer sexuell missbraucht. Das Landgericht Detmold hatte die beiden im September zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

LG Paderborn, Urteil vom 31.10.2019 - 31.10.2019 5 Kls 16/19

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2019 (dpa).

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