Durch­su­chung der Dienst­räu­me des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums war un­zu­läs­sig

Eine vom Amts­ge­richt Os­na­brück am 25.08.2021 an­ge­ord­ne­te Durch­su­chung der Dienst­räu­me des da­ma­li­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz und für Ver­brau­cher­schutz und der dort ge­führ­ten Pa­pier­ar­chi­ve sowie elek­tro­ni­schen Ar­chi­ve war un­zu­läs­sig. Dies hat 12. Große Straf­kam­mer des Land­ge­richts Os­na­brück ent­schie­den und den Durch­su­chungs­be­schluss auf­ge­ho­ben. Die te­le­fo­ni­sche Her­aus­ga­be­ver­wei­ge­rung von Be­weis­mit­teln sei kein Grund für eine Durch­su­chung.

Streit um Ver­dachts­an­zei­gen an Er­mitt­lungs­be­hör­den

Die Staats­an­walt­schaft Os­na­brück führt ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren gegen Un­be­kannt wegen des Ver­dachts der Straf­ver­ei­te­lung im Amt gemäß § 258a StPO. An­lass war eine Mel­dung der Zen­tral­stel­le für Fi­nanz­trans­ak­ti­ons­un­ter­su­chun­gen/Fi­nan­ci­al In­tel­li­gence Unit (FIU) vom 22.01.2020 an das Lan­des­kri­mi­nal­amt Nie­der­sach­sen, mit der zwei kurz zuvor bei der FIU ein­ge­gan­ge­ne Geld­wä­sche­ver­dachts­an­zei­gen eines Kre­dit­in­sti­tu­tes nach § 43 GwG wei­ter­ge­lei­tet wur­den. Bei einem Konto einer Kun­din sol­len un­ge­wöhn­li­che Zah­lungs­vor­gän­ge auf­ge­fal­len sein, die auf Be­trugs­ta­ten hin­wei­sen wür­den. Im Rah­men der Er­mitt­lun­gen wurde be­kannt, dass bei der FIU be­reits zuvor wei­te­re Ver­dachts­an­zei­gen ein­ge­gan­gen, je­doch nicht an die Er­mitt­lungs­be­hör­den wei­ter­ge­lei­tet wor­den waren. Be­reits am 14.07.2020 durch­such­te die Staats­an­walt­schaft Os­na­brück in die­sem Zu­sam­men­hang die der FIU zu­ge­ord­ne­ten Räum­lich­kei­ten der Ge­ne­ral­zoll­di­rek­ti­on. Si­cher­ge­stellt und be­schlag­nahmt wurde hier­bei unter an­de­rem ein Schrei­ben des Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums an das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fi­nan­zen vom 15.05.2020 mit dem Be­treff "Zu­sam­men­ar­beit der Zen­tral­stel­le für Fi­nanz­trans­ak­ti­ons­un­ter­su­chun­gen (FIU) mit den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den". Fer­ner wur­den E-Mail­post­fä­cher von vier Füh­rungs­kräf­ten der FIU ge­si­chert und un­ver­än­der­lich ge­spei­chert.

Nach ver­wei­ger­ter Her­aus­ga­be Durch­su­chungs­an­trag

Ende Juli 2021 er­frag­te die sach­be­ar­bei­ten­de Staats­an­wäl­tin te­le­fo­nisch die Her­aus­ga­be des Schrei­bens vom 15.05.2020 bei dem zu­stän­di­gen Re­fe­rats­lei­ter des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums, wel­cher eine Über­mitt­lung al­lein auf­grund te­le­fo­ni­scher An­fra­ge je­doch ab­lehn­te. Dar­auf­hin be­an­trag­te die Staats­an­walt­schaft die Durch­su­chung der Dienst­räu­me sowie der dort ge­führ­ten Ar­chi­ve des Fi­nanz- sowie des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums in Ber­lin. Das AG Os­na­brück ord­ne­te diese mit Be­schlüs­sen vom 10.08.2021 sowie vom 25.08.2021 an. Die Durch­su­chung soll­te der Iden­ti­täts­fest­stel­lung von Mit­ar­bei­ten­den der FIU sowie der Auf­klä­rung der Mo­ti­va­ti­ons­la­ge für das Ab­se­hen von der Über­mitt­lung von Ver­dachts­mel­dun­gen an die Er­mitt­lungs­be­hör­den die­nen. Gegen den für das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um er­gan­ge­nen Durch­su­chungs­be­schluss vom 25.08.2021 ist unter dem 27.09.2021 Be­schwer­de er­ho­ben wor­den. Das AG Os­na­brück hat der Be­schwer­de nicht ab­ge­hol­fen und das Ver­fah­ren zur Ent­schei­dung dem LG Os­na­brück vor­ge­legt.

LG: Te­le­fo­ni­sche Her­aus­ga­be­ver­wei­ge­rung kein Grund für Durch­su­chung

Das LG Os­na­brück hat den Be­schluss des AG Os­na­brück vom 25.08.2021 auf­ge­ho­ben. Die Durch­su­chung be­hörd­li­cher Räume sei, so die 12. Große Straf­kam­mer des LG, auf Grund­la­ge der ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen grund­sätz­lich nur dann zu­läs­sig, wenn die be­tref­fen­de Be­hör­de zuvor ver­geb­lich durch ein mit Grün­den ver­se­he­nes Her­aus­ga­be­ver­lan­gen unter ge­nau­er Be­zeich­nung des ver­lang­ten Schrift­guts zur Her­aus­ga­be auf­ge­for­dert wor­den sei. Ein schrift­li­ches Her­aus­ga­be­ver­lan­gen sei nach dem In­halt der Ent­schei­dung nur aus­nahms­wei­se ent­behr­lich, wenn eine Ab­leh­nung si­cher zu er­war­ten, eine Ver­nich­tung von Be­weis­mit­teln zu be­fürch­ten oder eine be­son­de­re Dring­lich­keit an­zu­neh­men wäre. Diese Vor­aus­set­zun­gen sah die 12. Große Straf­kam­mer als nicht er­füllt an. Schrift­lich habe die Staats­an­walt­schaft keine Be­weis­mit­tel an­ge­for­dert und aus der te­le­fo­ni­schen Wei­ge­rung eines Re­fe­rats­lei­ters ge­gen­über der er­mit­teln­den Staats­an­wäl­tin habe nicht ge­fol­gert wer­den dür­fen, dass die Be­hör­de ge­ne­rell nicht zur Her­aus­ga­be der ge­gen­über dem Amts­ge­richt Os­na­brück erst­mals be­nann­ten Be­weis­mit­tel be­reit ge­we­sen sei.

Ver­lust von Be­weis­ma­te­ri­al war nicht zu be­fürch­ten

Fer­ner sei weder die Ver­nich­tung von Be­weis­mit­teln zu be­fürch­ten ge­we­sen noch habe eine be­son­de­re Dring­lich­keit oder Eil­be­dürf­tig­keit be­stan­den. Die Ge­fahr des Ver­lus­tes von Be­weis­ma­te­ri­al habe ins­be­son­de­re nicht mit Blick auf die be­vor­ste­hen­de Bun­des­ta­ges­wahl be­stan­den. Unter Be­rück­sich­ti­gung der be­stehen­den Vor­schrif­ten der Ak­ten­ord­nung sei es eher un­wahr­schein­lich, dass als Be­weis­mit­tel in Be­tracht kom­men­de Schrift­stü­cke im Zuge eines et­wai­gen Re­gie­rungs­wech­sels ver­lo­ren gin­gen.

Durch­su­chungs­an­ord­nung war un­ver­hält­nis­mä­ßig und un­an­ge­mes­sen

Im Üb­ri­gen sei die An­ord­nung der Durch­su­chung auch un­ver­hält­nis­mä­ßig. Da das te­le­fo­nisch an­ge­for­der­te Schrift­stück der Staats­an­walt­schaft be­reits vor­ge­le­gen habe, sei die Durch­su­chung be­reits nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Auch die sonst er­streb­ten Be­weis­mit­tel hät­ten sich be­reits seit der Durch­su­chung bei der FIU am 14.07.2020 bei den Er­mitt­lungs­ak­ten be­fun­den, weil sie Be­stand­teil der von der FIU an die Zen­tra­le Kri­mi­nal­in­spek­ti­on Os­na­brück über­ge­be­nen Akten waren. Dar­über hin­aus sei eine Durch­su­chung auch nicht an­ge­mes­sen ge­we­sen. Die Stär­ke des Ver­dachts einer Straf­ver­ei­te­lung im Amt sei als ge­ring ein­zu­stu­fen und ein an­ge­mes­se­nes Ver­hält­nis zu den Aus­wir­kun­gen der Durch­su­chung und Be­schlag­nah­me nicht mehr ge­ge­ben. An­halts­punk­te für ein Fehl­ver­hal­ten in­ner­halb des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums hät­ten nicht be­stan­den und ein Bezug des Mi­nis­te­ri­ums oder sei­ner Mit­ar­bei­ter zu po­ten­ti­el­len Straf­ta­ten in­ner­halb der FIU hätte nicht her­ge­stellt wer­den kön­nen. Werde un­ge­ach­tet des­sen gleich­wohl eine Durch­su­chung an­ge­ord­net und das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um dem Ver­dacht aus­ge­setzt, sich nicht rechtstreu zu ver­hal­ten, sei dies ge­eig­net, dem An­se­hen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und ihrer In­sti­tu­tio­nen einen nicht un­be­acht­li­chen Scha­den zu­zu­fü­gen.

LG Osnabrück - 12 Qs 32/21

Redaktion beck-aktuell, 10. Februar 2022.

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