Verdacht auf Abrechnungsbetrug: Beschlagnahme aller Patientendaten unverhältnismäßig

Die Staatsanwaltschaft darf bei Verdacht eines Abrechnungsbetrugs zwar die gesamten Daten des Rechners einer Arztpraxis spiegeln, nicht aber ohne Durchsicht beschlagnahmen. Beschlagnahmen darf sie laut LG Nürnberg-Fürth nur, was für das Verfahren von Relevanz ist.

Ein Arzt stand im Verdacht, von Juli 2019 bis Juni 2021 systematisch Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) abgerechnet zu haben, die er nicht erbracht hatte. Die Praxis wurde durchsucht und die Rechner gespiegelt, das heißt, sämtliche Daten auf den Rechnern wurden auf Datenträger der Polizei kopiert. Noch vor Beendigung der Durchsuchung verließ der Arzt die Praxis. Um zu verhindern, dass er nach Hause fährt und per Fernzugriff die Daten löscht, beschlagnahmte der Oberstaatsanwalt kurzerhand die gesicherten Daten.

Der Arzt ging gegen die Beschlagnahme vor: Er wandte sich vor allem dagegen, dass sämtliche Patientendaten – sogar die seiner Privatpatienten – seit Bestehen der Praxis 2007 beschlagnahmt wurden, obwohl der Verdacht nur für die zwei Jahre 2019-2021 bestand. Während das AG Nürnberg die Maßnahme noch bestätigte, hob das LG Nürnberg-Fürth sie auf.

Beschlagnahme vor Durchsicht unverhältnismäßig

Eine Durchsuchung beinhalte die Durchsicht der Daten, so das LG (Beschluss vom 27.1.225 – 1 Qs 60/24). Erst die Durchsicht nach § 110 Abs. 3 StPO offenbare, welche Daten überhaupt verfahrensrelevant seien. Sie trenne also die Daten, die beschlagnahmt von denen, die zurückgegeben oder gelöscht werden müssen. Eine pauschale Beschlagnahme aller Daten ohne Durchsicht hält das LG für unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, weil damit alle Daten von 2007 – 2024 als potenziell beweiserheblich bezeichnet wurden.

Die komplette Übertragung der Daten auf dem Praxisrechner auf den polizeilichen Datenträger hingegen billigte das LG. Die Praxis nutzte die Arztsoftware Medistar, die zwar gestattet, die einzelnen Patientenakten, aber nicht, die Daten der gesetzlich versicherten Patienten von Juli 2019 bis Juni 2021 aufzurufen. Daher war es der Polizei nicht möglich, nur die verfahrensrelevanten Daten vorsortiert zu exportieren. Der Verdacht eines großangelegten und systematischen Betrugs rechtfertigt dem LG zufolge die komplette Übertragung der Daten auf den Polizeirechner, um sie außerhalb durchzusehen.

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 27.01.2025 - 12 Qs 60/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 3. Februar 2025.

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