Eine Mieterin sollte ihre Wohnung räumen. Sie erhielt gleich drei Kündigungen: eine wegen Eigenbedarfs und anschließend zwei wegen Zahlungsverzugs. Da sie wegen einer Augenkrankheit funktional erblindet war, beantragte sie die Zustellung der gerichtlichen Schreiben des Gegners als Audiodatei. Die Blindenschrift beherrschte sie nicht. Während das AG München ihr Ansinnen noch ablehnte, gab das LG München I ihrem Antrag statt.
LG: Mieterin muss Schriftsätze selbst "lesen" können
Das Landgericht hat sich auf § 191a Abs. 1 und 2 GVG in Verbindung mit § 4 ZMV (Zugänglichmachungsverordnung) gestützt, wonach sehbehinderte Personen einen Anspruch darauf haben, dass ihnen die Dokumente barrierefrei zugänglich sind. Blinde sollen in der Lage sein, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen. Dieser Anspruch gelte unabhängig von der Länge der Schriftsätze oder deren Komplexität.
Das Argument des AG, wonach ihr Anwalt ihr die Schriftsätze des Vermieters hätte vorlesen können, überzeugte das LG nicht, weil § 191a Abs. 1 Satz 4 GVG ausdrücklich festhält, dass das Recht auf eigenen Zugang auch für vertretene Personen gilt. Die Betroffenen sollten – wie auch Sehende – selbst in der Lage sein, die Texte so oft wie sie wollen zu "lesen", und nicht nur durch andere Personen. Die Norm wolle das Handicap ausgleichen, so dass Sehbehinderten im Gerichtsverfahren kein Nachteil daraus erwachse.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde zugelassen.