LG Mün­chen I will im Mai 2022 über Wire­card-Bi­lan­zen ent­schei­den

Im Wire­card-Skan­dal könn­te es An­fang Mai 2022 das erste Ge­richts­ur­teil über die mut­ma­ß­lich ge­fälsch­ten Bi­lan­zen des zu­sam­men­ge­bro­che­nen Kon­zerns geben. Der Zi­vil­pro­zess vor dem Land­ge­richt Mün­chen I, in dem In­sol­venz­ver­wal­ter Mi­cha­el Jaffé die Wire­card-Bi­lan­zen für 2017 und 2018 für nich­tig er­klä­ren las­sen will, hat große Be­deu­tung für Ak­tio­nä­re, Fi­nanz­amt und auch die Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft EY.

In­sol­venz­ver­wal­ter klagt auf Nich­tig­erklä­rung der Bi­lan­zen für 2017 und 2018

Das LG setz­te nach der münd­li­chen Ver­hand­lung ges­tern den 05.05.2022 als Ver­kün­dungs­ter­min fest. Ver­kün­dungs­ter­min be­deu­tet in Zi­vil­ver­fah­ren al­ler­dings nicht un­be­dingt Ur­teil. Denk­bar wäre auch eine um­fang­rei­che Be­weis­auf­nah­me, wie der Vor­sit­zen­de Rich­ter Hel­mut Kre­nek sagte. In­sol­venz­ver­wal­ter Mi­cha­el Jaffé will die Wire­card-Jah­res­ab­schlüs­se für 2017 und 2018 mit­samt den da­zu­ge­hö­ri­gen Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüs­sen für nich­tig er­klä­ren las­sen. Jaffè be­zif­fert in sei­ner Klage die Über­be­wer­tung der Wire­card-Bi­lanz im Jahr 2017 auf 743,6 Mil­lio­nen und 2018 auf 972,6 Mil­lio­nen Euro. So­fern die Kam­mer dem statt­gibt, könn­te das dann die Grund­la­ge für Di­vi­den­den- und Steu­er­rück­for­de­run­gen des In­sol­venz­ver­wal­ters gegen Ak­tio­nä­re be­zie­hungs­wei­se das Fi­nanz­amt sein. Ver­klagt hat der In­sol­venz­ver­wal­ter die Wire­card AG. Das Un­ter­neh­men exis­tiert nur noch als recht­li­che Hülle, die kein Ge­schäft be­treibt und weder Vor­stand noch Auf­sichts­rat hat.

Mög­li­che Aus­wir­kun­gen auf Ak­tio­närs­kla­gen

Falls der In­sol­venz­ver­wal­ter ge­winnt, wür­den nach Ein­schät­zung der An­le­ger­an­wäl­tin Da­nie­la Berg­dolt auch die Er­folgs­aus­sich­ten der vie­len Ak­tio­närs­kla­gen gegen die Prü­fungs­ge­sell­schaft EY stei­gen, die die be­tref­fen­den Wire­card-Bi­lan­zen tes­tiert hatte. "Wenn hier fest­ge­stellt wird, dass diese Jah­res­ab­schlüs­se 2017 und 2018 nich­tig sind, dann hat das eine durch­schla­gen­de In­di­zi­en­wir­kung für alle Pro­zes­se auf Scha­den­er­satz gegen EY", sagte die Vi­ze­prä­si­den­tin der An­le­ger­ver­ei­ni­gung DSW nach dem Ende der Ver­hand­lung. EY wi­der­sprach: "So­fern das Ge­richt be­stimm­te Män­gel eines Jah­res­ab­schlus­ses fest­stellt, er­klärt es die­sen für nich­tig. Die Fest­stel­lung der Nich­tig­keit sagt je­doch nichts dar­über aus, wer für die Män­gel des Jah­res­ab­schlus­ses ver­ant­wort­lich ist", hieß es in der Stel­lung­nah­me der Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft. "Eben­so wenig wird über eine et­wai­ge Pflicht­ver­let­zung der mit der Prü­fung des Jah­res­ab­schlus­ses be­fass­ten Ab­schluss­prü­fer ent­schie­den."

Staats­an­walt­schaft nimmt Bi­lanz­fäl­schung und Mil­li­ar­den­be­trug an

Wire­card hatte im Juni 2020 mut­ma­ß­li­che Luft­bu­chun­gen in Höhe von 1,9 Mil­li­ar­den Euro ein­ge­räumt, bis heute ist das Geld nicht auf­ge­taucht. Die Münch­ner Staats­an­walt­schaft geht davon aus, dass der nach wie vor in Un­ter­su­chungs­haft sit­zen­de Vor­stands­chef Mar­kus Braun und Kom­pli­zen mit Hilfe ge­fälsch­ter Bi­lan­zen bei Ban­ken und In­ves­to­ren Mil­li­ar­den er­schwin­del­ten. Ver­bucht waren die ver­miss­ten 1,9 Mil­li­ar­den Euro in den bei­den Jah­ren an­geb­lich bei der Bank OCBC in Sin­ga­pur. Diese hat nach An­ga­ben der von Jaffé be­auf­trag­ten An­walts­kanz­lei nun­mehr of­fi­zi­ell be­stä­tigt, dass das Geld nicht exis­tier­te: "Wir haben einen schö­nen Kon­to­aus­zug von über 600 Sei­ten, der zwar ganz in­ter­es­sant ist, aber lei­der keine Mil­li­ar­de aus­ge­wie­sen hat", sagte An­walt Luid­ger Röck­rath. Tat­säch­lich ver­bucht war dort dem­nach eine ein­stel­li­ge Mil­lio­nen­sum­me.

Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2021 (dpa).

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