Verwaistes beA: Anwalt erhält keine Reisekosten erstattet

Ein Anwalt, der zu einem bereits am Vortag aufgehobenen Termin angereist war, erhält keine Reisekosten erstattet, weil er sein beA verwaisen ließ und deshalb von der Terminaufhebung nicht rechtzeitig erfuhr. Laut LG München I hätte er sein beA – auch mobil – kontrollieren müssen.

Der Lübecker Rechtsanwalt war für einen Gütetermin vor dem Arbeitsgericht München beauftragt. Der Termin war für den 12.01.2022 um 15.15 Uhr angesetzt worden. Der Gütetermin wurde am 11.01.2022 aufgehoben, weil die Klage nicht wirksam zugestellt war. Die Terminaufhebung wurde dem Rechtsanwalt am 11.01.2022 um 10.39 Uhr in sein beA zugestellt. Telefonisch informiert wurde er nicht.

Der Anwalt behauptete, bereits am 11.01.2022 um 9.00 Uhr mit seinem Pkw von Lübeck aus losgefahren zu sein. Das beA habe er während Fahrt nicht kontrollieren können: In seiner Kanzlei sei niemand gewesen. Eine Anreise am Verhandlungstag sei ihm wegen der Entfernung nicht zumutbar gewesen. Er habe erst nach seiner Ankunft von der Abladung erfahren. 

Schaden selbst verschuldet - Anwalt hätte beA kontrollieren müssen

Die 15. Zivilkammer des Landgericht München I hat eine Amtspflichtverletzung der Mitarbeiter des ArbG München sowie einen kausalen Schaden des Klägers verneint (Urteil vom 10.10.2023 – 15 O 7223/23). Der Anwalt habe den Schaden selbst verursacht.

Trotz der großen Distanz sei es bereits fernliegend gewesen anzunehmen, der Anwalt würde für einen Termin um 15.15 Uhr bereits am Vortag um 9.00 Uhr abreisen. Naheliegend wäre eine Flugverbindung oder eine Zugverbindung am Termintag gewesen. Selbst bei Nutzung des eigenen Pkws wäre nicht zu erwarten gewesen, dass er am Morgen des Vortages aufbricht. Ebenso wenig sei für die Geschäftsstelle absehbar gewesen, dass die Kanzlei des Klägervertreters in dieser Zeit gänzlich verwaist war und weder eine Kanzleikraft noch der Rechtsanwalt selbst (über einen mobilen Zugang) von eingehenden beA-Nachrichten Kenntnis erhält.

Schon wegen seiner außergewöhnlich frühen Abreise, mit der niemand habe rechnen müssen, habe der Anwalt dafür sorgen müssen, dass in der Kanzlei eingehende Nachrichten dort alsbald zur Kenntnis genommen werden oder er selbst zeitnah Kenntnis erhält. Das beA sei auch mobil abrufbar. Die Beschäftigten des ArbG hätten darauf vertrauen dürfen, dass ihn die Abladung noch rechtzeitig erreicht. Sie hätten ihn daher auch nicht anrufen müssen.

Der Anwalt müsse zwar grundsätzlich nicht vor der Anreise nachfragen, ob der Termin stattfinde. Hier lagen laut LG aber besondere Umstände vor. Denn ihm sei spätestens aufgrund einer Mitteilung des ArbG vom 05.01.2022 bekannt gewesen, dass an der wirksamen Zustellung der Klageschrift und der Terminladung erhebliche Zweifel bestanden und somit eine Aufhebung des Termins nahe lag. Sich hierüber zu informieren, habe der Klägervertreter versäumt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

LG München I, Urteil vom 10.10.2023 - 15 O 7223/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 24. November 2023.