Fehlinformation über das Rating einer Bank
Die klagende Gemeinde hatte im November 2020 vermittelt durch den beklagten Finanzdienstleister mit einer Bank einen Vertrag über eine Festgeldanlage in Höhe von drei Millionen Euro abgeschlossen. Der Finanzdienstleister hatte der Gemeinde eine Übersicht über in Betracht kommende Festgeldanlagen zur Verfügung gestellt, bei der die Bonität der emittierenden Bank mit A- angegeben war. Tatsächlich war die Bonität auf BBB+ herabgestuft worden. Nachdem über das Vermögen der Bank das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war das Geld - mangels Sicherheit über den Einlagensicherungsfonds - verloren.
Finanzdienstleister bestreitet Vertragsverhältnis mit Gemeinde
Die Gemeinde machte geltend, sie hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Festgeldanlage nicht gezeichnet, allein schon weil sie zur Beachtung einer A-Bonität verpflichtet gewesen sei. Der Finanzdienstleister vertrat die Ansicht, zwischen ihm und der Gemeinde sei weder ein Anlagevermittlungsvertrag noch ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Er habe rein aufgrund eines Maklervertrags mit der Bank gehandelt, allein von dieser habe er auch Provision erhalten. Selbst wenn ein Schaden vorläge, sei dieser jedoch nicht auf die Fehlinformation über das Rating zurückzuführen, da dessen Verschlechterung lediglich geringfügig sei.
Gemeinde vertraute auf Expertise - konkludent Auskunftsvertrag geschlossen
Das LG stellte sich nun auf die Seite der Gemeinde und entschied, dass der Finanzdienstleister für seine fehlerhaften Angaben haftet. Zwar ergäben sich aus dem zwischen Finanzdienstleister und Bank geschlossenen Maklervertrag grundsätzlich keine vertraglichen Pflichten des Finanzdienstleisters gegenüber der Gemeinde. Der Maklervertrag sei auch kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der einen Schadensersatzanspruch für die Gemeinde rechtfertigen könnte. Allerdings könne auch bei Bestehen eines Maklervertrages zwischen dem Makler und einem Dritten ein weiteres, vom Maklervertrag unabhängiges Vertragsverhältnis, bestehen. Zwischen der Gemeinde und dem Finanzdienstleister sei insoweit konkludent ein Auskunftsvertrag im Rahmen der Anlagevermittlung geschlossen worden.
Unentgeltlichkeit steht Vertragsschluss nicht entgegen
Der Finanzdienstleister sei gegenüber der Gemeinde nämlich nicht nur als "Makler", sondern unter der Bezeichnung "Finanzierungen/Anlagevermittlung" aufgetreten. Er habe so als Vermittler für Finanzprodukte und darüber hinaus durch das Auftreten seiner Mitarbeiterin, als "Rating-Analyst (univ.)" für sich besondere Sachkunde reklamiert. Die Gemeinde habe durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Finanzdienstleisters deutlich gemacht, dass sie auf dessen besondere Sachkunde und seine Verbindungen vertraue. Damit sei zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis geschlossen worden. Der Annahme eines Auskunftsvertrags stehe auch nicht entgegen, dass die Gemeinde selbst keine Zahlungen an den Finanzdienstleister geleistet habe. Es sei anerkannt, dass ein Anlagevermittlungsvertrag beziehungsweise ein Auskunftsvertrag auch unentgeltlich geschlossen werden könne und bei Vermittlern auch regelmäßig unentgeltlich geschlossen werde.
Falsche Auskunft ursächlich für Anlagenkauf
Die falsche Auskunft des Finanzdienstleisters sei auch ursächlich für den Anlagenkauf der Gemeinde gewesen. Diese hätte die fragliche Festgeldanlage nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend informiert worden wäre, dass die emittierende Bank tatsächlich nur über ein Rating von BBB+ verfügte. Dabei streite im Rahmen eines Anlagevermittlungsvertrags für die Gemeinde die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung habe der Finanzdienstleister nicht widerlegen können. Vielmehr habe die Gemeinde die Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft für ihre Entscheidung nachweisen können.