"muenchen.de" verstößt gegen Gebot der "Staatsferne der Presse"

Das Angebot von "muenchen.de", dem Münchner Online-Stadtportal, ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der "Staatsferne der Presse" unvereinbar und deshalb wettbewerbswidrig. Dies hat das Landgericht München I zugunsten mehrerer Münchner Zeitungsverlage entschieden. In Quantität und Qualität würden Themen besetzt, deretwegen Zeitungen und Zeitschriften gekauft würden, erläutert das Gericht. Auch bediene sich "muenchen.de" eines "pressemäßigen" Layouts.

Stadtportal sehr erfolgreich

Der Internetauftritt "www.muenchen.de" ist das im Jahr 2004 in der heute abrufbaren Form aufgeschaltete offizielle Stadtportal für die Landeshauptstadt München. Er ist mit bis zu rund 2,9 Millionen Besuchen und zwölf Millionen Seitenaufrufen im Monat nach der Selbstpräsentation das mit Abstand meistbesuchte Münchner Serviceportal und gleichzeitig eines der erfolgreichsten deutschen Stadtportale. Das Portal umfasst mehr als 173.000 Seiten.

Kommunale Selbstverwaltung versus freie Presse

Das LG stellte zunächst klar, dass es nur über "www.muenchen.de" in der ihm zur Entscheidung gestellten konkreten Ausgestaltung zu urteilen hatte, nicht über das Stadtportal per se. In dem Urteil nahm das Gericht eine umfassende Interessenabwägung zwischen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und der Garantie des Instituts der freien Presse gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor.

BGH-Grundsätze herangezogen

Für ihre Entscheidung zog die Kammer hierbei vor allem jene Beurteilungsmaßstäbe heran, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Crailsheimer Stadtblatt II" im Jahr 2018 aufgestellt hat (NJW 2019, 763). Diese Entscheidung sei zwar zu einem zeitungsmäßig aufgemachten Druckwerk ergangen. Die Kammer hielt sie aber auf das in Streit stehende Internetportal übertragbar.

Erweiterte Grenzen des Zulässigen überschritten

Da im Internet andere Nutzergewohnheiten gelten als bei einem Printmedium, sieht das Gericht jedoch die Grenzen des Zulässigen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung etwas weiter, als dies bei einem klassischen Presseprodukt geboten wäre. Diesen zulässigen Bereich der Berichterstattung überschreite das Portal "www.muenchen.de" nach Ansicht des LG deutlich.

Internetangebot macht Lektüre einer Zeitung scheinbar entbehrlich

So biete der Internetauftritt des Portals in der zur Entscheidung gestellten Ausgestaltung den Lesern eine Fülle von Informationen, die den Erwerb einer Zeitung oder Zeitschrift – jedenfalls subjektiv – entbehrlich mache, heißt es im Urteil. Es würden in Quantität und Qualität deutlich Themen besetzt, deretwegen Zeitungen und Zeitschriften gekauft werden.

Beiträge nicht nur zu gemeindlichen Aufgaben

Das Internetportal beschränke sich nicht auf Sachinformationen. In zahlreichen Beiträgen werde über das gesellschaftliche Leben in München berichtet, sie beträfen sämtlich keine gemeindlichen Aufgaben oder zumindest Aktivitäten und bewegten sich nicht mehr innerhalb der zulässigen Themenbereiche, so das Gericht.

Auch Layout moniert

Auch im Layout bediene sich "www.muenchen.de" einer derart (boulevard-) pressemäßigen Illustration mit Überschriften, Zwischenüberschriften, Bildern, Zitaten und unterhaltsamem Text, dass die verfassungsmäßigen Zulässigkeitsgrenzen überschritten seien. Es sei vielmehr insgesamt nicht mehr erkennbar, dass das Stadtportal eine staatliche Publikation darstelle, so das LG. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

LG München I, Urteil vom 17.11.2020 - 33 O 16274/19

Redaktion beck-aktuell, 18. November 2020.