Auch Anstiftung zum Ausstellen falscher Maskenatteste strafbar
© Robert Kneschke / Adobe Stock

Das LG Mannheim hat eine Frau wegen Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse verurteilt. Sie hatte sich von einer einschlägig bekannten Ärztin ohne jegliche Untersuchung ein Attest besorgt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Schutzmaske gegen Corona tragen könne.

Das Urteil hat eine lange Vorgeschichte, die 16 der knapp 20 Seiten der Urteilsbegründung ausmacht: Eine Ärztin, die Corona-Masken generell ablehnte und deshalb ohne die erforderliche Untersuchung der darum Bittenden zu Beginn der Corona-Pandemie von Mai 2020 bis Januar 2021 über 4.000 Unverträglichkeitsbescheinigungen für die vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung ausgestellt hatte, war bereits zuvor vom LG Mannheim wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden (Urteil vom 20.02.2024 – 12 NBs 206 Js 23405/20, nicht rechtskräftig).

Sie "stand den Infektionsschutzmaßnahmen des Bundes und der Länder zur Eindämmung von COVID-19 sehr kritisch gegenüber und lehnte diese ab", heißt es in dem früheren Richterspruch. Ganz besonders kritisch sah sie demnach die in der ersten Pandemie-Welle angeordnete Maskenpflicht in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens: Die Pflicht zum Tragen einer "Alltagsmaske" (also einer nicht-medizinischen Schutzmaske oder einer vergleichbaren Bedeckung von Mund und Nase, etwa durch einen Schal oder ein Tuch) galt damals generell ab dem sechsten Lebensjahr im öffentlichen Personennahverkehr und beim Einkaufen zum Schutz anderer Personen. Die Medizinerin trat dagegen wiederholt auf Demonstrationen sowie in Videos auf YouTube auf und rief zum Widerstand gegen die Maßnahmen auf.

Die Landrichter stellten fest: Sie war der Auffassung, dass die Maskenpflicht schon an sich nicht geeignet sei, Ansteckungen zu verhindern. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei gesundheitsschädlich, denn dies seien "Brutstätten von Keimen, Bakterien etc."; sie führten zu Krankheiten bei den Trägern, insbesondere Lungenentzündungen durch Pilzbefall. Die Masken enthielten nach ihrer Ansicht zudem mitunter krebserregende Stoffe und schwächten das Immunsystem. "Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen verursache auch Stress, eine direkte Folge des Tragens sei etwa Bluthochdruck", beschrieben die baden-württembergischen Richter die Bedenken. Das Tragen während der Schwangerschaft oder Geburt erhöhe die Gefahr für Entwicklungsverzögerungen ungeborener Kinder erheblich. Ferner machten Mund-Nasen-Bedeckungen sowohl demjenigen, der sie trage, als auch jenem, der sie anschauen müsse, Angst – insbesondere Kindern. Fazit: Sie seien der "Supergau für die Psychoneuroimmunologie"; die Menschheit sei schließlich ohne sie geboren worden.

Die Allgemeinmedizinerin habe sich daher entschlossen, ausnahmslos allen Personen, die von der Maskenpflicht befreit werden wollten und dazu aus welchen Gründen auch immer – sei es aus gesundheitlichen oder ideologischen Motiven oder weil man die Maskenpflicht schlicht als lästig empfand – an sie heranträten, ein Befreiungsattest auszustellen. Dabei sei ihr gleichgültig gewesen, ob die Person tatsächlich zu der (kleinen) Gruppe gehörte, die aus gesundheitlichen Gründen keine Abdeckung verwenden sollte. Ums Geld ging es der Heilberuflerin offenkundig nicht: Für jede Bescheinigung ließ sie sich bloß fünf bis sieben Euro überweisen. Wenn sie den vielen weit entfernten Antragstellern die eigenhändig unterschriebene Bescheinigung nicht als PDF per Mail, sondern nur via Briefpost zukommen lassen konnte, berechnete sie einen Euro Porto zusätzlich. Damit, so die Strafrichter, habe sie "auf das Gröbste das vom Staat in Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen gesetzte besondere Vertrauen" verletzt.

"Bequem und unkompliziert"

Die Staatsanwaltschaft ließ schließlich ihre Privatpraxis durchsuchen. Dabei stießen die Strafverfolger auch auf eine Mail der jetzigen Angeklagten an die "liebe Frau Dr.", in der sie um Befreiungen für sich, ihren damaligen Lebensgefährten, ihre Mutter und ihre damals zehn Jahre alte Tochter bat. Die Familie litt tatsächlich unter diversen Gesundheitsproblemen. Bald hakte die Frau in der Praxis telefonisch nach, weil sie es als bequem und unkompliziert empfand, ohne eine körperliche Untersuchung an das begehrte Papier zu kommen. Zwar schilderte sie dabei kurz ihre Beschwerden und erhielt die vier gewünschten Atteste. Doch nach Ansicht der Justiz hätte die Ärztin sie vorher untersuchen müssen – oder zumindest in den ausgestellten Papieren ausdrücklich auf diese Unterlassung hinweisen müssen. Damit habe sie unrichtige Gesundheitszeugnisse gemäß § 278 StGB a.F. ausgestellt – und die Antragstellerin habe sie dazu angestiftet, dies "ins Blaue hinein" zu tun.

Das AG Weinheim* gestand der jetzigen Angeklagten noch einen "unvermeidbaren Verbotsirrtum" zu und sprach sie frei. Anders die Kleine Strafkammer in der Berufungsinstanz (LG Mannheim, Urteil vom 16.07.2024 – E 12 Nbs 206 Js): Ein zu einer konkreten Tat fest Entschlossener könne zwar nicht mehr zu dieser bestimmt werden (omnimodo facturus), denn dann fehle es an der erforderlichen Kausalität der Anstiftungshandlung. Aber zu dieser "konkret-individuellen Tat" habe die Angeklagte die Medizinerin erst noch bewegen müssen. Auch bejahten die Mannheimer Landrichter den "doppelten Anstiftervorsatz". Danach muss der Veranlassende die vorsätzliche Begehung der Haupttat durch den Haupttäter sowie das Hervorrufen dessen Tatentschlusses durch ihn selbst zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen – und so sei es hier gewesen. "Dass die Angeklagte in Unkenntnis der strafrechtlichen Verbotsnorm irrig davon ausging, dass das Geschehen erlaubt sei, ist im Rahmen des subjektiven Tatbestandes – die Angeklagte kannte nämlich den äußeren Sachverhalt – ohne Bedeutung."

Vielmehr handele es sich um einen auf der Ebene des subjektiven Tatbestands unbeachtlichen "direkten Verbotsirrtum": Die Angeklagte täuschte sich demnach nur über den Umfang der Strafbarkeit des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Unter Aufbietung ihrer intellektuellen Erkenntniskräfte und einer ihr zumutbaren Anspannung des Gewissens hätte sie jedoch das Unrechtmäßige des Geschehens leicht erkennen können, so das Urteil: Bei einem neuen Patienten "lag (es) – für jedermann – nahe, dass es für die Feststellung des Ausnahmetatbestands der Erhebung eines Befundes mittels einer persönlichen körperlichen Untersuchung bedurfte". Die seit dem 24.07.2024 rechtskräftige* Strafe: 50 Tagessätze zu je 60 Euro.

*Anm. d. Red.: Die Vorinstanz im aktuellen Fall wurde auf einen Hinweis aus der Justiz  hin korrigiert; zudem ist die Entscheidung des LG mittlerweile rechtskräftig. (jja, 04.08., 15.45 Uhr)

LG Mannheim, Urteil vom 16.07.2024 - E 12 NBs 206 Js 18707/23

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 30. Juli 2024.