Neun Jahre Haft für Lkw-Attacke von Limburg

Vor gut einem Jahr kapert ein Mann im Feierabendverkehr einen Lastwagen und fährt an einer Ampel gegen stehende Autos. 18 Menschen werden verletzt. Das Landgericht Limburg sieht darin versuchten Mord und hat den Täter nun zu neun Jahren Haft verurteilt. Das ist deutlich mehr als von Staatsanwalt und Verteidigung gefordert. Die Schwurgerichtskammer sah gleich zwei Mordmerkmale erfüllt: Heimtücke und den Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels.

Lkw als gemeingefährliches Mittel

Der 33-jährige Syrer hatte am 07.10.2019 mitten im Feierabendverkehr einen Lkw gekapert hatte. Berauscht von einem Joint und zutiefst frustriert über seine Lebensumstände – keine Arbeit, kein Geld, die Freundin hatte mit ihm Schluss gemacht – riss der im südhessischen Langen lebende Mann die Fahrertür eines 17,5-Tonners auf, der an einer roten Ampel stand. Er zerrte den Fahrer heraus und gab Gas.

Nur leicht Verletzte

Die Ampel zeigte mittlerweile Grün, er lenkte den Lkw um die Ecke, dort standen an einer weiteren Ampel etliche Fahrzeuge. Ohne zu bremsen, fuhr er mit Tempo 44 auf sie zu, rammte zwei Autos und einen Kleinlaster. In einer Kettenreaktion wurden weitere Fahrzeuge aufeinander geschoben. 18 Menschen wurden verletzt – wie sich später herausstellte, nur leicht. Dass bei der Fahrt niemand gestorben sei, sei allerdings "ein außergewöhnlich glücklicher Zufall" gewesen, sagte der Vorsitzende Richter am 20.11.2020.

Kein terroristisches Motiv

Doch die vergleichsweise harmlosen Folgen waren kurz nach der Tat noch nicht bekannt. Zunächst war von Schwerverletzten die Rede, die Angst vor einem möglichen Terroranschlag ging um. "Es gibt kein terroristisches Motiv", betonte daher nun in der Urteilsbegründung der Richter. Doch die Frage nach dem Warum war für das Gericht nicht leicht zu beantworten. Der Angeklagte hatte im ganzen Ermittlungsverfahren nichts gesagt, erst im Prozess brach er sein Schweigen. Sehr erkenntnisreich war seine Aussage nicht, er verwies auf Erinnerungslücken, traumatische Erlebnisse in seiner Heimat und eine extrem starke Wirkung des kurz zuvor gerauchten Joints. "Die verdammten Drogen", meinte er im Gericht auch bei seiner letzten Möglichkeit, vor der Urteilsverkündung etwas zu sagen.

Verminderte Schuldfähigkeit bejaht

Dass die Drogen eine Rolle bei der Tat gespielt haben, da waren sich auch die Richter sicher. Sie gehen von verminderter Schuldfähigkeit aus. Durch die Drogen sei der Angeklagte enthemmt gewesen, so der Vorsitzende. Und deshalb habe er den Gedanken, mit dem er schon den ganzen Tag gespielt habe – einen Lastwagen zu entführen und damit einen aufsehenerregenden Unfall zu verursachen – kurz entschlossen in die Tat umgesetzt. Zuvor, am selben Tag, hatte er noch auf seinem Handy mit einem Lkw-Simulator gespielt. Mit der Tat habe er auf sich aufmerksam machen und seiner Lebenssituation entkommen wollen, sagte der Richter. "Wer sich so verhält, dem ist es gleichgültig, ob jemand stirbt oder verletzt wird."

LG Limburg, Urteil vom 20.11.2020

Redaktion beck-aktuell, Sabine Maurer, 23. November 2020 (dpa).