Im Oktober 2021 hatte das Landgericht Köln einem Angeklagten zur Sicherung des Verfahrens einen weiteren Pflichtverteidiger bestellt. Fast zwei Jahre später wurde immer noch verhandelt und der Sicherungsverteidiger hatte sich – jedenfalls aus Sicht der Großen Strafkammer – mehr als Belastung entpuppt. In einem an ihn gerichteten Schreiben, vom Gericht als "Abmahnung" bezeichnet, vom April 2023 hielt die Kammer dem Anwalt unter anderem vor, dass man seinen unautorisierten "Wortmeldungen", dem Unterbrechen des Vorsitzenden bei jeder sich bietenden Gelegenheit, nur noch dadurch habe Herr werden können, indem man ihm das Mikrofon abgeschaltet oder gleich die Sitzung kurz unterbrochen habe.
Das Schreiben endete mit den Worten, dass der Vorsitzende davon ausgehe, der Verteidiger werde sich zukünftig nicht mehr so verhalten. Die Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht: In einer Sitzungspause hatte der Vorsitzende einem Sachverständigen eine kurze Rückfrage gestellt. Diese erläuterte er unmittelbar nach der Pause, da nur ein Mitverteidiger im Saal gewesen war. Letztlich ins Blaue hinein warf ihm der Pflichtverteidiger vor, dass er mit dem Sachverständigen dessen Aussage "geübt" habe. Der Richter wehrte sich gegen den Vorwurf, die Beweisaufnahme manipuliert zu haben, was der Anwalt mit der Aussage "Der getroffene Hund bellt!" kommentierte.
Bei einer anderen Gelegenheit warf der Anwalt der Kammer vor, seinem Mandanten den Inhalt eines USB-Sticks vorenthalten zu wollen. Schließlich ließ er, jedenfalls nach Überzeugung des Gerichts, durch unentschuldigtes Fernbleiben einen Hauptverhandlungstermin platzen. Da war für die Strafkammer das Maß voll: Die Beiordnung wurde aufgehoben (LG Köln, Beschluss vom 14.09.2023 – 321 Ks 1/23).
Mitwirkung an geordneter Verfahrensführung
Die Kammer stützte sich dabei auf § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 2. Alt. StPO. Danach kann eine Beiordnung aufgehoben werden, wenn aus einem "sonstigen Grund" keine angemessene Verteidigung gewährleistet ist. Ein solcher Grund liege – als ultima ratio – bei groben Pflichtverletzungen vor, die keinen geordneten Verfahrensablauf mehr ermöglichten. Das LG Köln weist darauf hin, dass die Verteidigung sich innerhalb des Prozessrechts bewegen muss. Insbesondere müsse sie die Verfahrensleitung durch den Vorsitzenden nach den §§ 238 Abs. 1 und 240 Abs. 2 StPO akzeptieren und dürfe nicht versuchen, den Prozess lahmzulegen.