Keine Weiterleitung von Gerichtsentscheidungen ohne Anonymisierung
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Entscheidungen von Gerichten dürfen von Behörden nicht an andere Behörden weitergeleitet werden, wenn die Personen, um die es geht, namentlich genannt werden. Dies hat das Landgericht Köln unter Bezugnahme auf die DS-GVO entschieden, im zugrunde liegenden Fall aber dennoch einen Schmerzensgeldanspruch des Betroffenen abgelehnt, weil die Kausalität der Weiterleitung für erlittene Nachteile nicht erwiesen sei.

Stadt leitete nicht anonymisierten VG-Beschluss weiter

Der Kläger war gegen eine Allgemeinverfügung der Stadt Bergisch Gladbach vorgegangen, mit der ihm wegen der Corona-Pandemie die Schließung seines Geschäftslokals auferlegt worden war. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln über den Rechtsstreit entschieden hatte, sendete die Stadt den nicht anonymisierten Beschluss an Mitarbeiter anderer Kommunen zu deren Information weiter. Der Kläger behauptet, dies habe dazu geführt, dass die Entscheidung auch in seinem Interessenverband bekannt geworden sei, in dem er sich engagiert hatte. Dadurch sei er offenen Anfeindungen als Corona-Leugner ausgesetzt gewesen. Der Beschluss des VG sei sogar zusammen mit einem Zettel mit der Aufschrift "Ihr seit es" unter den Scheibenwischer seines an seinem Wohnhaus geparkten Fahrzeugs gesteckt worden.

Stadt: Fall des Klägers war bereits zuvor in den Medien

Der Kläger ist der Ansicht, Art. 82 Abs. 1 DS-GVO gewähre ihm einen Geldentschädigungsanspruch. Er macht Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 8.000 Euro geltend. Die Stadt Bergisch Gladbach dagegen meint, der Rechtsstreit des Klägers vor dem VG sei bereits Gegenstand der Berichterstattung in einer Tageszeitung und deshalb in der Öffentlichkeit bereits bekannt gewesen. Außerdem seien seine persönlichen Daten in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder geheim noch intim gewesen. Die Nachteile, die der Kläger erlitten haben wolle, seien nicht kausal auf die Weitergabe der Entscheidung zurückzuführen gewesen.

LG Köln bestätigt Pflicht zur Anonymisierung

Das LG entschied nun, dass dem Kläger kein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Stadt Bergisch Gladbach zustehe. Ein Anspruch ergebe sich zwar grundsätzlich aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO. Danach stehe jeder Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Übersendung des Beschlusses des VG Köln an Mitarbeiter anderer Kommunen stellt nach Ansicht des Gerichts einen Verstoß gegen die DS-GVO dar. Die Stadt hätte den VG-Beschluss zumindest anonymisieren und dadurch die Identität des Klägers unkenntlich machen müssen.

Kausalität der Weiterleitung für erlittene Nachteile nicht bewiesen

Allerdings seien die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen, Beschimpfungen und Herabsetzungen nicht notwendigerweise auf die Weiterleitung des Beschlusses durch Mitarbeiter der Stadt Bergisch Gladbach zurückzuführen gewesen, so das LG weiter. Dem Kläger stehe daher in diesem konkreten Fall kein Schadenersatz zu. Auch andere Geschäftsinhaber hätten sich gegen die Schließung gerichtlich zur Wehr gesetzt, sodass auch diese an den Beschluss hätten gelangen können. Zudem sei der Beschluss an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Kommunen gegangen. Diese seien selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dem Kläger komme auch keine Möglichkeit der Beweiserleichterung zugute – diese sei nur im Rahmen der Prüfung des Verschuldens möglich. Schließlich sind laut LG Köln auch keine immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers ersichtlich. Zwar solle eine abschreckende Wirkung dadurch erzielt werden, dass Verstöße zur Zahlung hoher Schmerzensgelder führen können. Zu einer uferlosen Häufung von Ansprüchen solle es aber nicht kommen – immerhin bestehe nach Art. 83 DS-GVO auch die Möglichkeit, bei Verstößen Geldbußen in erheblichem Umfang zu verhängen.

LG Köln, Entscheidung vom 03.08.2021 - 5 O 84/21

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2021.