Kläger hält Ammoniaklösung für Limonade
Die beiden Männer waren befreundet und befanden sich in der Werkstatt des Beklagten. Als der Kläger Durst verspürte, bediente er sich aus dem Kühlschrank, der sich hinter der Ladentheke in einem Küchenbereich befand. Er goss sich die Flüssigkeit aus der Flasche in ein Glas und trank diese in einem Zug aus. Dabei nahm er nicht wahr, dass es sich bei der Flüssigkeit um Ammoniaklösung unbekannter Konzentration handelte. Der Beklagte bewahrte das Ammoniakwasser, das auch Salmiakgeist genannt wird, auf, um damit bei Bedarf Handy-Platinen reinigen zu können. Der Kläger erlitt schwerste Verletzungen an der Speiseröhre und im Magen, musste in ein künstliches Koma versetzt werden und erholte sich nur langsam.
Ladeninhaber lehnt jede Haftung ab
Der Kläger behauptet, er habe den Beklagten nach einem Getränk gefragt. Er verlangte daher Schmerzensgeld in Höhe von 18.750 Euro sowie die gerichtliche Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Der Beklagte lehnte hingegen jede Haftung ab. Er behauptet, er habe die Ammoniaklösung in der Limonadenflasche hinter das Sofa seiner Werkstatt gestellt. Beim Aufräumen der Werkstatt habe sein Praktikant die Flasche ohne sein Wissen in den Kühlschrank gestellt. Zudem habe der Kläger zum Vorfallszeitpunkt bereits drei Nächte wegen des Konsums von Amphetaminen nicht geschlafen und deshalb den beißenden Geruch der Flüssigkeit nicht wahrgenommen. Er habe außerdem gar nicht erst hinter die Ladentheke treten dürfen.
LG: Verkehrssicherungspflicht verletzt
Das Landgericht gab der Klage statt. Der Beklagte habe dadurch, dass er mit dem Ammoniak einen gefährlichen, gesundheitsschädlichen Stoff in einer Limonadenflasche gelagert habe, die für andere Personen zugänglich gewesen sei, die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er hätte Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass Dritte mit dieser Chemikalie nicht in Berührung kommen. Selbst ein Versteck hinter dem Sofa hätte keinen hinreichenden Schutz geboten. Aufgrund der Verletzung dieser Verkehrssicherungsverpflichtung sei es zu den Gesundheitsbeschädigungen des Klägers gekommen.
Kläger trifft Mitverschulden
Dieser müsse sich allerdings ein Mitverschulden in Höhe von 25% anrechnen lassen. Zwar hätten sich die Dämpfe aus der Flasche mit der Ammoniaklösung in der kurzen Zeit, bis er das Glas mit der Lösung getrunken hatte, noch nicht freigesetzt. Dem Kläger sei jedoch aus einer eigenen Tätigkeit in der Werkstatt des Beklagten bekannt gewesen, womit sich dieser beschäftigt. Vor diesem Hintergrund hätte er nicht ohne ausführliche Prüfung eine farblose, nicht perlende Flüssigkeit aus einer bereits geöffneten und nicht mehr versiegelten Glasflasche mit einem Limonadenetikett in einem Zug austrinken dürfen, ohne sich zuvor zu vergewissern, um welche Art von Flüssigkeit es sich handelte. Dies gelte umso mehr, soweit der Kläger aufgrund seines persönlichen Zustandes davon ausgehen musste, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit aufgrund des Drogenkonsums beeinträchtigt sein könnte. Nach den weiteren Feststellungen des Gerichts hätten sich zudem engere Freunde des Beklagten stets selbst am Kühlschrank bedienen dürfen. Schließlich sei nicht erwiesen, dass das von dem Kläger konsumierte Amphetamin starken Durst verursacht hätte, so dass dieser zu unvorsichtig geworden sei.