Google Snippets: Der flüchtige Blick in die Auslage
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Verlage können für sogenannte Snippets, die Google eigenständig ausspielt, haften, sagt das LG Köln. Die Kurzbeschreibung dürfe die flüchtigen Betrachter nicht in die Irre führen. Jörn Claßen kommentiert eine bemerkenswerte Entscheidung.

Presserechtliche Fälle haben mittlerweile fast immer eine Komponente mit Bezügen zu den großen Tech-Plattformen, weil die Online-Artikel in der Regel auch über Suchmaschinen wie Google oder Social-Media-Dienste verbreitet werden. Zur Haftung der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure gibt es inzwischen eine sehr ausdifferenzierte und sich ständig anpassende Rechtsprechung. Zu den aktuellen Streitfragen gehört die Haftung für rechtsverletzende Google Snippets. 

Ein Snippet ist die Kurzzusammenfassung einer Webseite, die auf Suchmaschinen wie Google als Suchergebnisseiten (SERPs) erscheinen. Dass Google für rechtsverletzende Snippets in den Suchergebnissen nach den Grundsätzen der Störerhaftung haftet, entspricht der gängigen Rechtsprechung. Wann Verlage für entsprechende Snippets haften, ist dagegen weniger klar, weshalb eine aktuelle Entscheidung des LG Köln für die presserechtliche Praxis unbedingt beachtenswert ist (Urteil vom 22.01.2025 - 28 O 252/24).

Artikel vollständig und korrekt – das Google Snippet nicht

In dem Fall ging es um einen Google Snippet zu einem Artikel auf www.bild.de. In dem Artikel berichtete die Bild über die Ergebnisse von Routinekontrollen der Lebensmittelüberwachung in zwei Franchise-Filialen einer Imbisskette. Die Vorwürfe gegen die beiden Franchisenehmer: Schmutz, Fake-Fleisch und Hygienemängel in den Filialen. Der Google Snippet zu dem Artikel enthielt dagegen weniger Informationen. Laut Gericht war er in presserechtlicher Sicht bewusst unvollständig, weil die Leserinnen und Leser nicht darüber aufgeklärt wurden, dass es sich um ein Franchisesystem handelte und sich die fraglichen Vorwürfe nur gegen zwei Franchisenehmer richteten. Infolge der fehlenden Aufklärung könne bei Rezipienten der Eindruck entstehen, dass die Missstände für alle Filialen gälten, auch wenn der Artikel in der Rubrik "Regional" veröffentlicht worden sei, meint das LG. Durch diesen falschen Eindruck verletze der Snippet die Unternehmenspersönlichkeitsrechte der Franchisegeberin, die folglich einen Unterlassungsanspruch habe. 

Die praxisrelevanten und weitreichenden Besonderheiten der Entscheidung: Das Gericht hat zum einen den Verlag für die Anzeige auf Google verantwortlich gemacht und zum anderen den Snippet isoliert – also ohne Rücksicht auf den Inhalt des ganzen Artikels – einer rechtlichen Bewertung unterzogen. Daneben ging es auch um die Anforderungen an die Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren. 

Baut Google die Snippets selbst oder übernimmt es sie?

Dass die Pressekammer den Verlag in diesem Fall in die Verantwortung nahm, lag daran, dass die Kettenbetreiberin glaubhaft gemacht hatte, dass der Meta-Tag des Artikels wortgleich von Google übernommen worden sei. Der streitgegenständliche Text war dem Verlag damit direkt zuzurechnen, was folgerichtig zu einer unmittelbaren Haftung führte.  Anders liegt der Fall dann, wenn Google zulässige Meta-Beschreibungen der Inhalteanbieter selbstständig abändert und erst durch die Abänderung ein rechtsverletzender Snippet generiert wird. In derartigen Fällen haftet Google als unmittelbar Verantwortlicher oder zumindest als Störer.

Zudem hat das Gericht die Snippet-Texte isoliert interpretiert, ohne den Inhalt des gesamten verlinkten Artikels zu berücksichtigen. Hätte das Gericht dagegen eine einheitliche Betrachtung des Suchergebnisses zusammen mit dem verlinkten Artikel vorgenommen, dann hätte es eine Rechtsverletzung wohl verneint, weil sich aus dem Artikel nach Angabe des Verlages ergab, dass lediglich zwei Filialen von den Hygienemängeln betroffen gewesen seien. Das hätte beim Leser nicht zu einer Fehleinschätzung geführt. 

Snippets sind wie die Zeitungsauslage im Kiosk

Ob man aus der Verbreitung von Überschriften oder – hier passend – Artikeleinführungen Ansprüche herleiten kann, wird von der Rechtsprechung danach beurteilt, ob ihnen eine in sich geschlossene und daher selbstständig zu wertende Sachaussage zu entnehmen ist oder ob sie nur als unselbstständiger Hinweis auf den vollständigen Beitrag zu werten sind. 

Aus guten Gründen hat sich das Gericht hier dagegen entschieden, den gesamten Artikel in die rechtliche Bewertung des Textauszuges einzubeziehen: Ein Snippet sei eher mit einer Titelblattschlagzeile als mit einer gewöhnlichen Überschrift im Innenteil einer Zeitung, bei der eine direkte Verknüpfung mit dem gesamten Artikel bestehe, vergleichbar. Für Schlagzeilen auf dem Titelblatt einer Zeitung sei anerkannt, dass es einen besonderen Leserkreis der "Titelseiten- und Kioskleser" gebe, so das LG, das diesen Kreis mit den Rezipientinnen und Rezipienten von Snippets vergleicht: "Viele Nutzer von Internetsuchmaschinen werden nicht alle ihnen angezeigten und von ihnen zur Kenntnis genommenen Suchergebnisse auch anklicken. Ein Suchergebnis ähnelt deshalb eher einer Schlagzeile auf dem Titelblatt einer Zeitung als einer gewöhnlichen Überschrift im Innenteil".

Diese Einordnung ist nachvollziehbar: Der flüchtige Blick über die Schlagzeilen der Zeitungstitel im Kiosk ist gut vergleichbar mit dem Scrollen durch die Google Suchergebnisse. In beiden Fällen bleibt es bei den meisten Rezipientinnen und Rezipienten (maximal) bei der Kenntnisnahme des Kurztextes, ohne dass sie den Gesamtartikel aufschlagen bzw. anklicken und vollständig lesen. Das bedeutet auch, dass die in der "Auslage" präsentierten Schlagzeilen vollständig und richtig sein müssen, wenn sie eine aus sich heraus verständliche Sachaussage enthalten. Seriöse Medien werden hieran auch ein Eigeninteresse haben, weil sie nicht durch den Eindruck von Clickbait-Schlagzeilen die Reputation ihres Mediums beschädigen wollen.

Wie "eilig" muss es in Pressesachen sein?

Im Übrigen stritten sich die Parteien auch darüber, ob ein Verfügungsgrund vorlag, also das besondere Rechtsschutzbedürfnis nach einer Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren. Der Springer-Verlag, zu dem die Bild-Zeitung gehört, zog sich auf eine sogenannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch die klagende Franchisegeberin zurück, weil zwischen der Erwiderung des Verlags auf die Abmahnung und der Einreichung des Verfügungsantrages knapp drei Wochen lagen. Das Gericht sah hierin jedoch keine "vorwerfbare Verschleppung", weil die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin versicherten, dass in dem besagten Zeitraum knapp 20 parallellaufende Angelegenheiten zu bearbeiten waren. 

Auch diese Bewertung des Gerichts ist zu begrüßen. Anwältinnen und Anwälte mit Spezialisierung auf das Presserecht bearbeiten überwiegend eilbedürftige Sachen mit kurzen Fristen, z.B. bei kritischen Presseanfragen an die Mandantschaft oder in Abmahn- und Verfügungsverfahren in Bezug auf akut rechtsverletzende Berichte. Auch die Pressekammern der Landgerichte bearbeiten zahlreiche eilbedürftige Fälle gleichzeitig, sodass bei derartigen Fällen zwangsläufig priorisiert werden muss. Angesichts dessen ist es in Eilverfahren in der Regel nicht als Selbstwiderlegung zu verstehen, wenn zeitnah eine Abmahnung erfolgt und der Verfügungsantrag innerhalb eines Monats ab Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung bei Gericht eingereicht wird (eine für jeden Fall geltende feste Frist gibt es nach der Rechtsprechung nicht). Im vorliegenden Fall wurde am dritten Tag nach der Berichterstattung abgemahnt und innerhalb eines Monats der Verfügungsantrag eingereicht. Schon diese Bearbeitungszeiten zeigen, dass die Angelegenheit hier nicht vorwerfbar verschleppt wurde. Darüber hinaus legten die Verfahrensbevollmächtigten des Fastfood-Unternehmens unter Verweis auf die vielen parallellaufenden Angelegenheiten dar, weshalb sie den Verfügungsantrag nicht sofort nach der Erwiderung bei Gericht eingereicht hatten. 

An den genannten drei Weggabelungen (Verantwortlichkeit, Anwendung der Rechtsprechung zu Titelblattschlagzeilen, Verfügungsgrund) hat das Gericht in gut begründeter Weise die Ausfahrten in Richtung bzw. zugunsten des betroffenen Unternehmens genommen. Da die Rechtsfragen zum Teil grundsätzliche Bedeutung haben und die Folgen der Entscheidung für Verlage über diesen Fall hinausgehen, ist davon auszugehen, dass das OLG Köln die Strecke auch noch einmal abfahren wird. 

Dr. Jörn Claßen ist Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienkanzlei Brost Claßen, die auf den presserechtlichen Schutz von Unternehmen und Personen spezialisiert ist.

LG Köln, Urteil vom 22.01.2025 - 28 O 252/24

Gastbeitrag von Dr. Jörn Claßen, 27. Februar 2025.

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