Nachdem ein soziales Netzwerk eine Seite wegen wiederholter Hassreden gesperrt hatte, ist deren Betreiber mit seiner Klage dagegen vor dem Landgericht Koblenz gescheitert. Er habe den Nutzungsbedingungen unter anderem zu Hassreden zuvor zugestimmt, teilte das Gericht am 28.04.2020 mit. Der Kläger hätte auch ein anderes soziales Netzwerk nutzen oder auf diese digitalen Plattformen ganz verzichten können, "da die Pflege von Beziehungen mit Freunden auch offline möglich ist", befand das LG (Urteil vom 21.04.2020, Az.: 9 O 239/18, nicht rechtskräftig).
Netzwerkbetreiber löscht privates Profil
Das LG nannte das Netzwerk nicht namentlich, nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelt es sich um Facebook. Der Kläger hatte einer Verschärfung der Nutzungsbedingungen 2018 mit einem Mausklick zugestimmt. Danach entfernte das Netzwerk zwei politisch motivierte Posts des Klägers gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Nach weiteren ähnlichen Hassreden löschte der Betreiber die Seite des Klägers und sperrte sein privates Profil zweimal vorläufig für 30 Tage. Dieser hielt die Maßnahmen für rechtswidrig und klagte auf Wiederherstellung seiner Seite. Das Gericht wies die Klage ab.
LG: Nutzungsbedingungen ausreichend transparent
Laut Urteil verstoßen die Nutzungsbedingungen nicht gegen das Transparenzgebot: Sie seien leicht verständlich formuliert und erläuterten detailliert, was der Betreiber des Netzwerks unter Hassrede verstehe. Es werde deutlich, dass nicht alle Hassreden auch strafbare Äußerungen zu sein brauchten. Zudem verstoßen die Nutzungsbedingungen dem LG zufolge nicht gegen die Meinungsfreiheit, da dieser das "virtuelle Hausrecht" des Betreibers gegenüberstehe.
Netzwerk können Löschungen und Sperrungen nicht generell verboten werden
Von vielen womöglich als extrem, unnötig provozierend und einschüchternd empfundene Posts könnten Nutzer des Netzwerks zum Abschied von dem Online-Dienst verleiten. Das würde sich negativ auf einen Meinungsaustausch und das Geschäftsmodell auswirken. Löschungen und Sperrungen könnten dem Dienst daher nicht generell verboten werden.
LG Koblenz, Urteil vom 21.04.2020 - 9 O 239/18
Redaktion beck-aktuell, 29. April 2020 (dpa).
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