Ausgangspunkt war eine Schadensersatz- und Schmerzensgeldsache, in der die Rechtsanwaltskanzlei die Frau außergerichtlich vertrat. Bei der Mandatserteilung schlossen die Parteien eine "Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung". Danach sollte im Erfolgsfall eine zusätzliche Vergütung "noch einmal besprochen" werden. Die außergerichtlichen Verhandlungen, die die Kanzlei für die Mandantin führte, mündeten in einem Vergleich, nach dem die Frau 150.000 Euro erhalten sollte. Bei einem anschließenden Telefonat sprachen die Kanzlei und die Mandantin über eine freiwillige zusätzliche Vergütung für die Kanzlei. Der genaue Gesprächsinhalt blieb umstritten.
Im Anschluss an das Gespräch stellte die Kanzlei eine "Erfolgsunabhängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG" über 20.000 Euro zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, insgesamt somit 23.800 Euro in Rechnung. Die Summe behielt die Kanzlei direkt von den überwiesenen 150.000 Euro ein und bedankte sich per Textnachricht bei der Mandantin für die "entgegenkommende und anerkennende Zahlung der zwischen uns besprochenen Zusatzvergütung von 20.000 Euro netto" und erteilte Abrechnung. Die Mandantin war mit dem Abzug nicht einverstanden und verklagte die Kanzlei auf Zahlung der 23.800 Euro nebst Zinsen. Für den Abzug gebe es keine Vertragsgrundlage.
Die Kanzlei wiederum war der Auffassung, man habe eine Bonusvereinbarung getroffen, die keinerlei Formvorschriften unterliege. Auch habe die Frau gewusst, dass die Kanzlei keinen Anspruch auf eine solche Zusatzvergütung habe und sich dennoch bereiterklärt, 10% der Gesamtentschädigung zu zahlen. Auch das Einbehalten des Betrags von der Vergleichssumme habe man vereinbart. Die vermeintlich getroffene Vereinbarung stelle weder eine Erfolgs- noch eine Gebühren- oder Vergütungsvereinbarung iSd § 3a RVG dar. Wenn sich die Klägerin, wie erfolgt, bei völliger Transparenz entscheide, einen Bonus zu bezahlen, verstoße es zudem gegen Treu und Glauben, sich auf eine fehlende Textform zu berufen.
LG geht von Textform unterliegender Vergütungsvereinbarung aus
Anders sah dies das LG Koblenz (Urteil vom 18.12.2024 – 15 O 97/24). Es liege kein Erfolgshonorar vor, weil man keine Vergütung vereinbart habe, deren Entstehen von einer aufschiebenden Bedingung eines – je nach Einzelfall näher definierten – Erfolges der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gewesen sei.
Die Beweisaufnahme habe aber ergeben, dass die Parteien telefonisch eine Vereinbarung über die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung in Höhe von 23.800 Euro zugunsten der Kanzlei getroffen haben. Bei dieser handele es sich um eine dem § 3a RVG unterfallende Vergütung. So habe die Kanzlei in der von ihr vorformulierten "Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung", in mehreren Textnachrichten und der Kostenrechnung stets das Wort "Vergütung" aufgeführt. Zudem verwende das Gesetz den Begriff "Vergütungsvereinbarung" dann, wenn eine höhere oder eine niedrigere als die gesetzlich festgelegte Vergütung zwischen Anwalt und Mandant vereinbart werden soll. Somit gelte § 3a RVG, wovon die Kanzlei auch selbst ausgegangen sein dürfte: Denn mit ihrer Kostenrechnung habe sie eine "Erfolgsunabhängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG" in Rechnung gestellt.
§3aAbs. 1. S. 1 RVG schreibe für Vergütungsvereinbarungen die Textform vor. Die hier lediglich mündlich getroffene Vereinbarung sei daher formunwirksam. Das Erfordernis der Textform diene vor allem dem Schutz der Mandantinnen und Mandanten und bleibe auch nach Mandatsabschluss bestehen.
Mandantin durfte sich auf Formunwirksamkeit berufen
Die Mandantin verstoße dadurch, dass sie sich auf die Formunwirksamkeit beruft, nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das LG erachtet den Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung für unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden. Eine solche Ausnahme liege nicht vor. Die Frau habe weder die Kanzlei schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten, noch nach Abschluss der Vereinbarung, auf deren Formunwirksamkeit sie sich beruft, Vorteile aus dem Vertrag gezogen oder durch ein Handeln ein berechtigtes Vertrauen der Kanzlei auf die Wirksamkeit des Vertrages begründet, aufgrund dessen die Kanzlei irgendeine Leistung erbracht hätte.
Wegen des Verstoßes gegen die Textform kann die Kanzlei laut LG Koblenz gemäß § 4b RVG nicht mehr als die gesetzliche Vergütung fordern. Die Kanzlei muss also die eingehaltenen 23.800 Euro gemäß §§ 675, 667 BGB an die Frau auszahlen.