"Vollendeter Mord": Lebenslang für Unfalltod bei Flucht

Heimtücke, Verdeckungsabsicht, gemeingefährliches Mittel: Ein Geldautomatensprenger, der bei einer halsbrecherischen Flucht vor der Polizei den Tod eines 45-jährigen Mannes verursacht hat, soll lebenslang hinter Gitter. Das LG Karlsruhe verurteilte den 30-Jährigen wegen Mordes. Doch das letzte Wort ist nicht gesprochen.

Vor Gericht standen drei Männer aus den Niederlanden. Sie hatten im vergangenen November mit einer Geldautomatensprengung in Wiernsheim nahe Pforzheim 41.000 Euro Bargeld erbeutet. Bei der anschließenden Flucht mit hohem Tempo steuerte der 30-Jährige den Fluchtwagen in den frühen Morgenstunden des 11. Novembers als Geisterfahrer auf die A6.

Auf einem Rastplatz bei Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) wurden die Flüchtigen kurz von der Polizei gestoppt. Die jüngeren Täter im Alter von 21 und 22 Jahren türmten zu Fuß und wurden festgenommen. Der 30-Jährige gab Gas und fuhr durch das Gelände wieder in falscher Richtung auf die Autobahn, bis er nach einigen Kilometern mit einem Transporter kollidierte. Dessen Fahrer versuchte wohl noch, den Zusammenstoß zu vermeiden. Weil er aber ebenso wie das Fluchtauto auf den Seitenstreifen auswich, kam es zum verhängnisvollen Crash. Der 45 Jahre alte Beifahrer im Transporter wurde so schwer verletzt, dass er einige Tage später starb. Der Transporterfahrer erlitt schwere Verletzungen.

Der 30-Jährige habe billigend in Kauf genommen, dass andere Verkehrsteilnehmer an Leib und Leben gefährdet werden könnten, sagte der Vorsitzende Richter Fernando Sanchez-Hermosilla. "Der Tod war klare Folge des Unfalls und des Verhaltens des Angeklagten", so der Richter. Der Fahrer des Fluchtautos wurde deshalb neben der Automatensprengung und dem Geldraub wegen vollendeten und versuchten Mordes verurteilt. Die beiden anderen Männer wurden zu fünfeinhalb Jahren beziehungsweise zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Verteidigung will Revision beim BGH einlegen. 

Schweigen zu möglichen Hintermännern

Der Richter bescheinigte den Angeklagten hohe kriminelle Energie. Sie hätten nur das gestanden, was ihnen ohnehin über Beweise und Zeugen nachgewiesen worden sei. Angaben zu Mittätern, einer Organisation oder Hinterleuten, die es dem Richter zufolge "zweifellos gab", hätten sie dagegen nicht gemacht. Dem Banden-Vorwurf der Anklage folgte das Gericht deshalb nicht. Trotz des professionellen Vorgehens und einer sehr differenzierten Arbeitsteilung sei ein Banden-Delikt nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Deshalb gelte der Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten."

Das Gericht folgte aber dem Mordvorwurf der Anklage. Die Verteidiger des 30-Jährigen hatten auf fahrlässige Tötung plädiert. Bei den jüngeren Männern lag das Gericht noch über dem Strafrahmen der Anklage, die vier Jahre und zehn Monate Haft bzw. vier Jahre und acht Monate gefordert hatte. Die Verteidiger hatten auf jeweils drei Jahre plädiert.

Die Angeklagten sind seit November in Untersuchungshaft. Sie haben alle die niederländische Staatsbürgerschaft. Im Fluchtwagen fand die Polizei neben dem Bargeld aus dem Automaten in Wiernsheim Sprengstoff. Am Gebäude entstand ein Schaden von rund 250.000 Euro. In Deutschland gibt es immer wieder Sprengungen von Geldautomaten - und die Spuren führen häufig in die Niederlande.

LG Karlsruhe, Urteil vom 12.07.2024

Redaktion beck-aktuell, ew, 12. Juli 2024 (dpa).