Betrieb eines Online-Marktplatzes für Apotheken darf untersagt werden

Im Streit um den von einem großen niederländischen Anbieter betriebenen Online-Marktplatz für Apotheken hat die beklagte Apothekerkammer einen Erfolg erzielt. Das Landgericht Karlsruhe hat am Donnerstag entschieden, dass die Apothekerkammer den Betrieb der Plattform in der derzeitigen Form nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts untersagen lassen kann.

Teilnehmende Apotheken müssen zahlen

Nach Ansicht des Gerichts ist es angesichts der Regelungen in §§ 8 Satz 2, 11 Abs. 1a ApoG nicht zulässig, "für Apotheken eine Online-Plattform bereitzustellen, über welche Apotheken Arzneimittel an Patienten verkaufen können, wobei der Marktplatzbetreiber von den teilnehmenden Apotheken eine monatliche Grundgebühr und eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr (letztere auf Verkäufe von rezeptfreien Arzneimitteln) verlangt." Genau dies sei hier aber der Fall.

Flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich

Das Verbot ergebe sich insbesondere aus dem vom Gesetzgeber mit den genannten Vorschriften verfolgten Zweck. Der Schutzzweck des § 11 Abs. 1a ApoG liege im Allgemeininteresse an der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dafür sei nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich. Die Versorgung der Bevölkerung mit wohnortnahen Apothekendienstleistungen könne gefährdet sein, wenn wirtschaftlicher Druck auf die niedergelassenen Apotheken entstehe. Seien solche Marktplätze wie derjenige der Klägerin erst einmal am Markt etabliert, stünden Apotheker und Apothekerinnen vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren.

Gewährleistung der eigenverantwortlichen Führung und Leitung des Betriebs

Der Gesetzeszweck des § 8 Satz 2 ApoG liege darin, Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apothekern und Apothekerinnen zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert. Diesen solle die eigenverantwortliche Führung und Leitung ihres Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein, ohne (auch nur indirekt) bei ihren Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden.

Wirtschaftliche Abhängigkeit von der Plattform droht

Dadurch soll sichergestellt werden, dass Apotheker und Apothekerinnen ihrer öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommen. Apotheken könnten, wenn sie sich dem Marktplatz der Klägerin angeschlossen haben, möglicherweise in einigen Jahren aufgrund gestiegener Marktmacht der Klägerin und sich gegebenenfalls ändernder Vertragsbedingungen in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten, wie dies von anderen Marktplätzen, etwa booking.com, als allgemeinbekannt vorausgesetzt werden kann, betonte das Gericht.

Entscheidung mit zusätzlicher Bedeutung wegen Einführung des elektronischen Rezepts

Das LG wies darauf hin, dass das Urteil zusätzliche Bedeutung vor dem Hintergrund des elektronischen Rezepts gewinne, welches seit 01.09.2022 schrittweise in Deutschland eingeführt wird. Dabei übermitteln Arztpraxen die Verordnungsdaten elektronisch an den e-Rezept-Server. Patientinnen und Patienten erhalten einen Zugangscode, den sie (gegenbenenfalls unter Nutzung einer e-Rezept-App) einer Apotheke ihrer Wahl bereitstellen. Die Apotheke kann sich damit die Daten vom Server laden und die Medikamente ausgeben. Indem die Abläufe im Gesundheitswesen aufgrund der Einführung des e-Rezepts in naher Zukunft weitaus digitaler sein werden, würden sich die aufgezeigten – möglichen – Entwicklungen am Markt, die der Gesetzgeber gerade verhindern will, nochmals beschleunigen. Die klagende Marktplatzbetreiberin kann das Urteil durch Berufung zum Oberlandesgericht anfechten.

LG Karlsruhe, Urteil vom 08.12.2022 - 13 O 17/22

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2022.