Vermeiden einer Vertagung nach kurzfristig gestelltem Befangenheitsantrag

Wenn ein Rechtsanwalt in zahlreichen von ihm geführten Verfahren Richterinnen und Richter als befangen ablehnt, dann spricht einiges dafür, dass das prozessuale Recht des § 42 ZPO missbräuchlich eingesetzt wird. Eine Handelskammer des Landgerichts Itzehoe fand nun einen kreativen Weg, aus kurzfristig gestellten Ablehnungsgesuchen folgende Vertagungen zu vermeiden.

Ablehnungsgesuch führt oft zu Vertagung

Anders als die Strafgerichte haben die Zivilgerichte wenig Erfahrung im Umgang mit rechtsmissbräuchlich gestellten Befangenheitsanträgen. Da über Ablehnungsgesuche grundsätzlich ohne den abgelehnten Richter entschieden werden muss und dieser bis zu einer solchen Entscheidung nur noch unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen darf, bleibt den Gerichten in der Regel nichts anderes übrig, als eine unmittelbar bevorstehende mündliche Verhandlung aufzuheben oder eine bereits begonnene mündliche Verhandlung zu vertagen.

Vorsitzende bringt ihren Vertreter mit

Geradezu filmreif gestaltete sich eine nach § 128a ZPO geführte mündliche Verhandlung am LG Itzehoe am 08.02.2022. Nachdem der Vertreter des Beklagten und Widerklägers nur einen Tag vor der mündlichen Verhandlung (Montag um 8:47 Uhr) schriftsätzlich ausgeführt hat, dass ein erst wenige Tage zuvor (Freitag um 17:34 Uhr) eingereichter Schriftsatz doch bitte als Ablehnungsgesuch gegenüber der Vorsitzenden zu werten sei, erwies sich selbige als ausgesprochen geschickt. Statt, wie sonst in derartigen Konstellationen üblich, die mündliche Verhandlung aufzuheben, bat sie ihren geschäftsplanmäßigen Vertreter darum, sie zur mündlichen Verhandlung zu begleiten. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung gab die Vorsitzende die Verhandlungsführung an ihren geschäftsplanmäßigen Vertreter ab, um diese schon kurz danach zurück zu bekommen. Der Vertreter hatte – zusammen mit den Handelsrichtern – das Befangenheitsgesuch als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zurückgewiesen.

8 Befangenheitsanträge in einem Verfahren

Aus den schriftlichen Entscheidungsgründen ergibt sich, dass es sich bei dem Befangenheitsantrag bereits um den achten Befangenheitsantrag in ein und demselben Verfahren gehandelt hat. Ebenso wie der aktuelle Befangenheitsantrag wurden auch die letzten beiden Befangenheitsanträge nur einen Tag vor einer mündlichen Verhandlung gestellt. Seinerzeit war das Gericht noch nicht so gut vorbereitet und musste die mündliche Verhandlung jeweils aufheben, damit vorab über das Ablehnungsgesuch entschieden werden konnte. Das Gericht macht in seinen Gründen deutlich, dass hier ein "wiederkehrendes Muster" festgestellt werden könne, zumal es an einer auch nur ansatzweise plausiblen Begründung für das Ablehnungsgesuch fehle. Soweit der Rechtsanwalt bemängelt habe, dass das Gericht keine Hinweise vor dem Termin erteilt habe, so könne dies schon deshalb keine Besorgnis der Befangenheit begründen, weil dies denklogisch beide Seiten gleichermaßen betreffe. Im Übrigen gebe es auch keine Verpflichtung, richterliche Hinweise vor Beginn der mündlichen Verhandlung zu erteilen.

Eine Vertagung ist keine Verlegung

Zum Nachteil gereichte dem Rechtsanwalt schließlich auch, dass er in seinem vorausgegangenen Schriftsatz, den er dann später als Ablehnungsgesuch gedeutet wissen wollte, die "Vertagung" der mündlichen Verhandlung beantragt hatte. Im Gegensatz zur Terminsverlegung setze eine solche aber voraus, dass die mündliche Verhandlung überhaupt erst einmal beginnt. Es dürfe angenommen werden, dass einem Rechtsanwalt der Unterschied zwischen Terminsverlegung und -vertagung bekannt sei, so das LG abschließend.

LG Itzehoe, Beschluss vom 08.02.2022 - 8 HKO 8/19

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2022.