Flüchtige 96-Jährige in NS-Prozess gefasst
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© ASSOCIATED PRESS / Markus Schreiber

Im womöglich letzten NS-Prozess in Deutschland sollte heute die Hauptverhandlung beginnen. Doch die 96 Jahre alte Angeklagte, die als Sekretärin im Konzentrationslager Stutthof gearbeitet hatte und der nun Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird, erschien nicht zum Prozessauftakt. Das zuständige Landgericht Itzehoe erließ einen Haftbefehl. Erst nach mehreren Stunden konnte die Frau gefasst werden, die Verhandlung wurde vertagt.

Im KZ als Stenotypistin und Schreibkraft tätig

Der Angeklagten Irmgard F. wird Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen vorgeworfen. Als Stenotypistin und Schreibkraft in der Lagerkommandantur des KZ Stutthof bei Danzig soll sie zwischen Juni 1943 und April 1945 den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet haben. Im deutschen KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg rund 65.000 Menschen.

96-Jährige verließ ihr Heim in unbekannte Richtung

Die 96-Jährige habe ihr Heim in Quickborn im Kreis Pinneberg am Morgen in unbekannte Richtung verlassen, sagte Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer. "Sie hat ein Taxi genommen." Fahrziel sei eine U-Bahn-Station in Norderstedt am Hamburger Stadtrand gewesen. Im Verhandlungssaal in einem Industriegebäude warteten unterdessen mehr als 50 Journalisten und Zuschauer, zwölf Vertreter der 30 Nebenkläger, der Verteidiger und weitere Prozessbeteiligte. Geplant war zum Auftakt des Prozesses die Verlesung der Anklage. Auch drei Stunden nach dem geplanten Beginn der Verhandlung hatte das Gericht keine Kenntnis vom Aufenthaltsort der 96-Jährigen, wie eine Gerichtssprecherin erklärte. Erst am Nachmittag war die Angeklagte gefasst worden. Die Polizei führte sie dann dem Gericht vor. Anschließend solle ein Arzt die Hafttauglichkeit der Frau prüfen. Danach entscheide die Kammer, ob die Haft vollstreckt oder die Frau verschont werde. Wo die Frau wieder gefasst wurde, wurde zunächst nicht bekannt. Wo der Tag für sie endete, hingegen schon: in der Untersuchungshaft.

Redaktion beck-aktuell, 30. September 2021 (dpa).