Erzieher quälte Mädchen in Wohngruppe: Gefängnisstrafe

In einer von einem Pädagogen-Paar aus Gifhorn geleiteten Wohngruppe für hilfsbedürftige Kinder ist es nach Überzeugung des Landgerichts Hildesheim zu sexuellem Missbrauch und Misshandlungen gekommen. Das LG verurteilte einen 57 Jahre alten Erzieher am 08.10.2020 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Die mitangeklagte 61 Jahre alte Ehefrau erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

Taten zwischen 1998 und 2007

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er ein Mädchen jahrelang quälte, indem es noch als Schülerin mehrere übereinander geklebte Windeln tagelang tragen musste. Laut einem Gerichtssprecher soll der Mann damit seine sexuellen Neigungen ausgelebt haben. Das Kind wurde auch in einen Käfig gesperrt. Verurteilt wurde der 57-Jährige zudem wegen zweier sexueller Übergriffe auf ein anderes Kind in der Badewanne beziehungsweise in einem Bett. Betroffen war ein Mädchen, das vom Kleinkindalter an 13 Jahre lang in der Gruppe gelebt hatte. Die angeklagten Taten sollen sich zwischen 1998 und 2007 ereignet haben. Die Bewährungsstrafe für die Ehefrau beruht hauptsächlich darauf, dass sie die Taten zugelassen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Fall war ins Rollen gekommen, nachdem eine frühere Bewohnerin Anfang 2019 zur Polizei gegangen war.

Weitere Vorwürfe nicht beweisbar

Die Sozialpädagogin saß für kurze Zeit, ihr Mann ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Bis zu ihrer Festnahme hatten sie mehr als 25 Jahre lang die familienähnliche Wohngruppe für teils traumatisierte Kinder geleitet. Ursprünglich war der Erzieher wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in zwölf Fällen und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen angeklagt. Vier junge Frauen traten als Nebenklägerinnen auf. Vorwürfe in Bezug auf zwei weitere frühere Bewohnerinnen konnten nicht bewiesen werden. Deshalb gab es hinsichtlich dieser Taten einen Freispruch. Vieles spreche zwar dafür, dass es so gewesen sei, wie die beiden Zeuginnen es schilderten, sagte der Gerichtssprecher. Allerdings sei laut Gutachten nicht zu belegen, dass das Geschehen sich wirklich so abgespielt hat. Eine der Frauen hatte von Träumen berichtet, eine andere von Erinnerungen im Zuge einer therapeutischen Aufarbeitung.

Diakonie will nichts gewusst haben

Das Tragen der Windeln hatte das Paar dagegen sogar protokolliert. Bei einer polizeilichen Vernehmung hatte der Mann von einer Art Re-Inszenierung zur Aufarbeitung früherer Traumata gesprochen. Als die Übergriffe geschahen, war die Gruppe in Trägerschaft der Diakonischen Heime Kästorf. 2007 wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Ehepaar aufgelöst, und es suchte sich einen neuen Träger. Hinweise auf sexuellen Missbrauch gab es laut Diakonie nie.

LG Hildesheim, Urteil vom 08.10.2020

Redaktion beck-aktuell, 9. Oktober 2020 (dpa).