Das Gericht betont zugleich, was nicht Gegenstand seiner Entscheidung war, nämlich "insbesondere ob, durch wen und in welchem Umfang die in dem Artikel thematisierte "Remigration" von Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, auf der Veranstaltung in Potsdam diskutiert wurde." Für keinen der äußerungsrechtlichen Angriffe Vosgeraus sei es darauf angekommen.
Falsch wiedergegeben habe Correctiv Vosgerau, soweit es in dem Artikel vom 10. Januar 2024 heißt, dieser halte den Vorschlag, "man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit." Diese Passage sei so zu verstehen, Vosgerau habe sich jedenfalls sinngemäß so geäußert, die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, sei umso größer, je mehr Beschwerden eingelegt würden.
Mit seinem Antrag habe Vosgerau geltend gemacht, ein massenhaftes Vorgehen gerade nicht befürwortet und darauf hingewiesen zu haben, der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei. Infolge dessen hätte Correctiv die Richtigkeit des Zitats darlegen und glaubhaft machen müssen, so das LG. Zum genauen Inhalt der diesbezüglichen Äußerungen Vosgeraus habe Correctiv jedoch nicht konkret vorgetragen. Das Gericht habe deshalb von der Unrichtigkeit des Zitats auszugehen und Vosgerau könne Unterlassung der Äußerung beanspruchen.
Zwei weitere Berichtspassagen nicht zu beanstanden
Keinen Erfolg habe der Antrag Vosgeraus, soweit er die Wiedergabe seiner Antworten auf eine Correctiv-Anfrage beanstandet hat, mit der ihn die Redaktion vor der Veröffentlichung des Artikels angehört hatte. Die im Artikel verwendete Formulierung "an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können", erwecke kein falsches Verständnis, wie und auf welche Frage Vosgerau sich in Reaktion auf die Anhörung geäußert habe. Correctiv habe ihm die Frage gestellt, wie er im Nachhinein zu der auf der Versammlung getroffenen Aussage stehe, bei der es um eine "Remigration" von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sei, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Seine Antwort, dass nach seiner Erinnerung von niemandem gesagt worden sei, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden, habe der Artikel – bezogen auf Äußerungen im Vortrag Sellners – zutreffend wiedergegeben. Dass Vosgerau weitergehende Ausführungen in seiner Antwort gemacht hat und diese nicht erwähnt wurden, berührt die Richtigkeit der Wiedergabe mit der konkret angegriffenen Formulierung laut Gericht nicht.
Einen Unterlassungsanspruch hat das Gericht auch hinsichtlich der Darstellung verneint, dass Vosgerau auf der Potsdamer Veranstaltung über Briefwahlen und im Zusammenhang damit über "Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten," gesprochen habe. Erkennbar handele es sich nicht um eine wörtliche Wiedergabe, sondern um Formulierungen, mit denen der Inhalt des Vortrags Vosgeraus wertend zusammengefasst worden sei. Auch der im Text folgende Zusatz "Auf CORRECTIV-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später" führe beim Leser nicht zu der Annahme, Vosgerau habe die Verwendung einer bestimmten Formulierung bestätigt. Die Antwort Vosgeraus gegenüber Correctiv, er habe "wohl eher am Rande und in einem Nebensatz möglicherweise sinngemäß darauf hingewiesen, dass eine Jungwählerin türkischer Herkunft (…) die zu Hause in der Küche unter Aufsicht ihres Vaters und mehrerer Brüder ihren Wahlzettel ankreuzt, dabei möglicherweise und in bestimmten Einzelfällen faktisch nicht denjenigen Freiheitsgrad genießt, den die Verfassung beim Wahlakt eigentlich voraussetzt," habe Correctiv in zulässiger Weise zusammengefasst. Vosgerau werde in dem Artikel nicht unterstellt, er habe hinsichtlich aller Jungwählerinnen türkischer Herkunft Bedenken in Bezug auf die Briefwahl geäußert, da sich diese generell keine unabhängige Meinung bilden könnten.
Erfolg – aber für wen?
Als "schönen Erfolg" wertet Correctivs Prozessvertreter Thorsten Feldmann von JBB Rechtsanwält:innen die Entscheidung des LG Hamburg: "Die einstweilige Verfügung betrifft nur ein marginales Detail des Artikels. Der Antrag wurde weit überwiegend zurückgewiesen, die Berichterstattung bleibt im Übrigen juristisch komplett unbeanstandet."
Aber auch der Prozessvertreter Vosgeraus, Carsten Brennecke von der Kölner Medienrechtskanzlei Höcker, meint: "Unser Vorgehen war ein voller Erfolg". Man habe Correctiv "eine glatte Falschbehauptung verbieten" lassen. "Soweit das Gericht meint, Correctiv dürfe Zitate unseres Mandanten massiv kürzen und so der Öffentlichkeit vorenthalten, halten wir dies allerdings für falsch", so Brennecke weiter.
Ob in der Sache das letzte Wort gesprochen ist, wird sich zeigen: Laut Gericht steht Vosgerau das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, über die das Hanseatische OLG zu entscheiden hätte. Correctiv könne – soweit die einstweilige Verfügung erlassen wurde – Widerspruch einlegen. Dann müsse das LG aufgrund mündlicher Verhandlung von Neuem entscheiden.