Das unverbindliche telefonische Beratungsgespräch zum Thema "Erfolgreiche Online Shops" hatte einen angehenden E-Commerce-Händler offenkundig überzeugt. Er einigte sich mit dem unter einem Pseudonym auftretendem Coach – eigentlich dem Vorstand des Beratungsunternehmens – auf ein sechsmonatiges Coaching mit "Eins-zu-eins"-Mentoring zum Preis von 6.366,50 Euro. Ziel war der Aufbau eines erfolgreichen T-Shirt-Verkaufs. Angeboten wurden 144 Stunden Online-Coaching und 40 Stunden Videomaterial.
Noch während des Telefonats schickte der Coach dem aufstrebenden Unternehmer folgende Nachricht: "Möchtest du M. die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?" Obwohl dieser direkt mit "Ja" antwortete, hatte er nach Eingang der Rechnung mit Ratenzahlungsvereinbarung doch Bedenken und widerrief den Vertragsschluss. Die Beratungsfirma wollte dies nicht akzeptieren und ging für ihr Honorar vor Gericht.
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 19.07.2023 − 304 O 277/22) wies die Klage ab: Vertragsinhalt sei Fernunterricht gewesen. Solche Kurse müssten nach § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG zugelassen werden. Da eine solche Zulassung der ZFU hier nicht vorgelegen habe, sei der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig.
Schutz vor unseriösen Fernlehrgängen
Die rechtliche Bewertung hing dabei im Kern von der Frage ab, ob die von § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG geforderte "ausschließlich oder überwiegend räumliche" Trennung von Lehrer und Schüler als Merkmal für Fernunterricht vorlag. Die Coaches hatten argumentiert, dass das Fehlen eines persönlichen Kontakts entscheidend sei: Wie auch beim klassischen Nahunterricht säßen sich beim Online-Coaching die Beteiligten gegenüber – lediglich unter Einsatz von Kameras.
Der Hamburger Richter räumte ein, dass diese Sichtweise in der – "spärlich" vorhandenen – Literatur und Rechtsprechung zum Teil vertreten werde. Schon nach der Gesetzesbegründung von 1975 (Seite 14) sei Unterricht, bei dem die Stimme des Lehrenden überwiegend durch Ton in einen anderen Raum übertragen werde, aber als Fernunterricht eingestuft worden. Dies zeige, dass die räumliche Trennung im Wortsinn zu verstehen sei – ungeachtet technischer Möglichkeiten, die Distanz zu überbrücken. Im Übrigen, so das LG, spricht auch der Zweck des Gesetzes – der Schutz vor unseriösen Lehrgangsangeboten – gegen eine Auslegung, die Videounterricht von der Anwendung ausnehmen würde.
Die Tatsache, dass der Schüler erklärt hatte, den Vertrag als Unternehmer zu schließen, war nach Ansicht des Hamburger Richters irrelevant: Das FernUSG schütze nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher.