Lindgren-Erben gewinnen Streit um Pippi-Langstrumpf-Liedtext

Im Streit um die Rechte am Liedtext “Hey, Pippi Langstrumpf“ hat das Landgericht Hamburg zugunsten der Erben von Astrid Lindgren entschieden. Die deutsche Textversion verletze das Urheberrecht an der literarischen Figur, heißt es in dem am 09.12.2020 verkündeten Urteil. Die Erben der schwedischen Kinderbuchautorin müssten an der Verwertung des Liedtextes beteiligt werden.

LG spricht Lindgren-Erben Schadenersatz zu

Lindgren (1907-2002) habe es 1969 ausdrücklich abgelehnt, dass sich der Verfasser der deutschen Textversion, Wolfgang Franke, als alleiniger Autor nenne, erläuterten die Richter. Frankes Fassung war durch die im selben Jahr herausgekommene deutsch-schwedische Fernsehserie bekannt geworden. Die Melodie des Liedes von Jan Johansson ist von dem Urteil nicht berührt. Die Münchner Filmkunst-Musikverlags- und Produktionsgesellschaft und Frankes Witwe dürfen den Text des Liedes nicht weiterverbreiten, wenn das Urteil vollstreckt wird. Ferner müssen sie Auskunft über die Einnahmen seit 2007 erteilen und den Lindgren-Erben Schadenersatz für die entgangene Beteiligung zahlen.

Fast schon deutsches Kulturgut

Alle Prozessbeteiligten seien sich einig, dass es sehr schade wäre, wenn der Liedtext nicht mehr verbreitet werden könnte, betonte Richter Benjamin Korte. “Wir werden alles daran setzen, dass das nicht passiert“, versicherte Rechtsanwalt Ralph Oliver Graef, der die Lindgren-Erbengesellschaft vertritt. “Das ist ja eine Ikone, fast schon deutsches Kulturgut“, sagte er über Pippi Langstrumpf. Franke habe in seiner Textfassung das Wesen der literarischen Figur genial zum Ausdruck gebracht, und zwar mit einem hohen schöpferischen Eigengehalt, hatte der Richter in der mündlichen Verhandlung im Juni vergangenen Jahres erklärt. Diese Wesenszüge stünden aber unter einem urheberrechtlichen Schutz.

Unfreie Bearbeitung rechtlich geschützter Figur

Das habe schon der Bundesgerichtshof 2013 in einem Urteil zu einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm festgestellt, erklärte Korte nun. Frankes Text sei eine sogenannte unfreie Bearbeitung einer rechtlich geschützten Figur. Er knüpfe unmittelbar an die Schöpfung von Astrid Lindgren an. Durch die Übernahme ihrer Merkmale wie Haus, Affe und Pferd bringe der Liedtext zum Ausdruck, dass es sich um die Pippi Langstrumpf handele, die der Zuhörer bereits aus Lindgrens Erzählungen kenne.

Hohe schöpferische Qualität der deutschen Fassung

Die Anwältin der Münchner Musikverlagsgesellschaft, Alexandra Heyn, sagte, sie werde ihrer Mandantin empfehlen, das Urteil anzufechten. Sie betonte zugleich die hohe schöpferische Qualität des Franke-Textes: “Der ist genial.“ Astrid Lindgren dagegen sei zwar eine geniale Kinderbuchautorin gewesen. Aber: “Sie war keine geniale Liedtexterin.“ Graef ist da anderer Ansicht. Lindgrens Text “Här kommer Pippi Långstrump“ sei die Vorlage gewesen, die deutsche Version baue im Wesentlichen darauf auf. “Da haben Sie auch trallari trallahey tralla hoppsasa drin, den Affen, die Villa Kunterbunt“, sagte der Anwalt. Dass Franke “Widewidewitt“ eingebaut habe, sei nicht besonders originell. Im Übrigen habe er sich da auch bei dem Kinderlied “Ein Mann, der sich Kolumbus nannt“ bedient, sagt Graef und singt es gleich vor. “Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“, quasi das anarchistische Credo von Pippi Langstrumpf, intoniert er nicht.

Anwalt der Lindgren-Erben sieht sich bestätigt

Er freut sich über das klare Urteil, mit dem das Gericht den Klägern alle Ansprüche bestätigt habe. Doch warum hat Astrid Lindgren zu Lebzeiten nicht auf ihre Rechte gepocht? Dazu sagt Graef, die Autorin sei eine hochintegre Persönlichkeit gewesen, “der es nie darum ging, Geld zu verdienen mit ihren Werken, sondern die Geschichten erzählen wollte“. Allerdings erwähnte Lindgren in ihrer Fassung Pippis Koffer voll mit Geld und ergänzte: “Es ist auch gut den zu haben“. Das übernahm Franke in seiner Version nicht.

LG Hamburg, Urteil vom 09.12.2020 - 308 O 431/17

Redaktion beck-aktuell, Bernhard Sprenge, 10. Dezember 2020 (dpa).