LG Hamburg: "HSH-Nordbank-Verfahren" gegen Geldauflagen überwiegend eingestellt

Das Landgericht Hamburg hat das Strafverfahren gegen fünf der sechs angeklagten ehemaligen Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank AG gegen Geldauflagen in Höhe von insgesamt 4,85 Millionen Euro vorläufig eingestellt. Das hat die zuständige Wirtschaftsstrafkammer am 05.06.2019 mit Zustimmung der betroffenen Angeklagten und der Staatsanwaltschaft beschlossen. Nach Erfüllung der Zahlungsauflagen durch die fünf Angeklagten wird das Verfahren für sie endgültig eingestellt und ist damit für sie abgeschlossen. In der ab Mitte August 2019 geplanten neuen Hauptverhandlung wird sich damit nur noch einer der Angeklagten verantworten müssen (Az.: 618 KLs 3/16).

Untreueschaden durch zivilrechtliche Schadenswiedergutmachung ausgeglichen

Nach Auffassung der Kammer wird dem bestehenden öffentlichen Strafverfolgungsinteresse durch die Geldauflagen ausreichend genüge getan. Deren Höhen seien nach dem Maß der den Angeklagten vorgeworfenen Verantwortlichkeit und zugleich so bemessen, dass sie für jeden der Angeklagten entsprechend ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit deutlich spürbar seien. Zwar sei der den Angeklagten vorgeworfene Untreueschaden beträchtlich, jedoch sei dieser inzwischen durch die zivilrechtliche Schadenswiedergutmachung in nicht unerheblichem Umfang ausgeglichen. Zudem beziehe sich der Anklagevorwurf auf ein einmaliges Fehlverhalten der nicht vorbestraften Angeklagten, die sich nicht selbst bereichert hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass das mutmaßliche Tatgeschehen inzwischen bereits mehr als zehn Jahre zurückliege und bereits Gegenstand einer fast einjährigen Hauptverhandlung sowie zweier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gewesen sei. Die zu erwartende weitere Aufklärung des Verhaltens der Angeklagten und ihrer Verantwortlichkeit in einer erneuten Hauptverhandlung falle nicht mehr erheblich ins Gewicht.

Geldauflagen zum Teil in Millionenhöhe

Die von den einzelnen Angeklagten zu erfüllenden Geldauflagen betragen 1,6 Millionen Euro für den Angeklagten F., 1,5 Millionen Euro für den Angeklagten N., 750.000 Euro für den Angeklagten B. und je 500.000 Euro für die Angeklagten S. und V. Der Angeklagte R. hat einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage in der vom Gericht vorgeschlagenen Höhe von 1,5 Millionen Euro nicht zugestimmt.

Ohne umfassende Risikoabwägung komplexe Finanztransaktion gebilligt

Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten mit ihrer Anklageschrift vom 14.12.2011 vorgeworfen, als Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank AG im Dezember 2007 die komplexe Finanztransaktion "Omega 55" genehmigt zu haben, obwohl anhand der ihnen vorgelegten Kreditvorlage eine umfassende Abwägung von Chancen und Risiken des Geschäfts nicht möglich gewesen sei. Unter anderem sei eine allgemein von der Bank bezweckte Verbesserung bankaufsichtsrechtlicher Eigenkapitalkennziffern aufgrund der Struktur dieser Transaktion nicht zu erreichen gewesen. Ebenfalls habe die Kreditvorlage keine aussagekräftigen Angaben über die Ertrags- und Kostensituation des Geschäfts enthalten. Im Ergebnis habe das Geschäft für die HSH Nordbank AG zu einem Verlust in Millionenhöhe geführt. Den Angeklagten N. und F. war zudem vorgeworfen worden, in dem Quartals-Zwischenbericht für den HSH Konzern zum 31.03.2008 und in einer Pressemitteilung vom 20.06.2008 einen Überschuss in Höhe von 81 Millionen Euro ausgewiesen zu haben, während tatsächlich ein Fehlbetrag in Höhe von 31 Millionen Euro vorgelegen habe.

In erstem Rechtsgang Freispruch mangels offensichtlicher und gravierender Pflichtverletzungen

Von diesen Vorwürfen wurden die Angeklagten aufgrund der ersten Hauptverhandlung, die vom 24.07.2013 bis zum 09.07.2014 gedauert hatte, freigesprochen. Die damals zuständige Wirtschaftsstrafkammer kam zu dem Schluss, dass die Angeklagten zwar ihre Pflichten als Vorstandsmitglieder verletzt und einen Vermögensschaden der Bank in Höhe von objektiv mehr als 40 Millionen Euro verursacht hätten. Jedoch seien die Pflichtverletzungen nicht so "offensichtlich" und "gravierend", wie es Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Untreue wäre. Die von den Angeklagten N. und F. zu verantwortende Darstellung des Vermögensstandes der Bank sei zwar unrichtig gewesen, jedoch sei diese Unrichtigkeit im Verhältnis zur Bilanzsumme und zum Geschäftsvolumen der Bank insgesamt nicht "erheblich" gewesen.

Laut Gutachten kein "Kapitalmarkterfolg" der Transkation

Aufgrund der gegen dieses Urteil eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof die Freisprüche am 12.10.2016 auf und verwies die Sache zurück an das LG Hamburg. In einer neuen Hauptverhandlung, die den gesamten der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt umfassen wird, sollen unter anderem die Auswirkungen des Geschäfts "Omega 55" auf die wirtschaftliche Stellung der Bank am Kapitalmarkt näher untersucht werden. Hierzu hat die Kammer im Vorfeld der neuen Hauptverhandlung ein bankbetriebswirtschaftliches Sachverständigengutachten zum "Kapitalmarkterfolg" der Transkation eingeholt, also zu einem möglichen Vorteil, der für die Bank wirtschaftlich darin gelegen haben könnte, die Transaktion gegenüber der Kapitalmarktöffentlichkeit als Maßnahme zur Entlastung des Eigenkapitals darzustellen. Dieses Gutachten ist nach Angaben des Hamburger Justizsenats zu dem Schluss gekommen, dass die Transaktion "Omega 55" einen derartigen wirtschaftlichen Vorteil am Kapitalmarkt nicht erbracht habe.

LG Hamburg, Entscheidung vom 05.06.2019 - 05.06.2019 618 KLs 3/16

Redaktion beck-aktuell, 6. Juni 2019.

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