Anwalt übermittelt Ausfertigung per beA
Die Verfügungsklägerin verlangte per einstweiliger Verfügung vom 16.12.2021, der Antragsgegnerin zu untersagen, unter anderem "Nahrungsergänzungsmittel (...) unter Verwendung der Begriffe ˈEntsäuerungˈ und/oder ˈEntgiftungˈ (...) zu kennzeichnen, anzubieten oder zu verkaufen". Einen Tag später gab das LG Hagen dem Antrag statt. Dem Erlass war ein gerichtliches Schreiben beigefügt. Darin teilte das LG mit, dass "die Zustellung (und ggf. der Vollzug der einstweiligen Verfügung) der Partei selbst obliegt, §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO". Am 22.12.2021 forderte die Klägerin über ihren Anwalt die Gerichtsvollzieherverteilerstelle um Zustellung auf und bat "um Rücksendung der Ausfertigung nebst Zustellvermerk" nach erfolgter Zustellung. Tags darauf übermittelte der Jurist per beA eine Abschrift der Verfügung dem Bevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zur Kenntnisnahme. Er teilte dem Kollegen mit, die Zustellung sei direkt an die Mandantin veranlasst worden, da keine anwaltliche Vollmacht vorgelegen habe. Die Gerichtsvollzieherin stellte die Ausfertigung durch Einlegen in den Briefkasten zu (Ersatzzustellung). Die Abschrift war nicht geheftet oder mit Faden verbunden, sondern nur durch einen Schnellhefterstreifen gehalten. Die Worte "und zugestellt am" waren gestrichen. Deswegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch wegen nicht rechtzeitiger Vollziehung des Erlasses nach § 929 Abs. 2 S. 1 ZPO beim LG Hagen ein - ohne Erfolg.
Technische Reproduktion des Originaldokuments ist ausreichend
Aus Sicht des LG Hagen war die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Die Vollziehungsfrist sei eingehalten worden. Die Verfügungsklägerin habe die Beschlussverfügung vom 17.12.2021 binnen eines Monats ab deren Zustellung vollzogen. Allerdings war die (Ersatz-)zustellung am 28.12.2021 laut LG schon aus formalen Gründen unwirksam. Denn der Beklagten sei weder eine Ausfertigung der Verfügung noch eine zumindest durch die Gerichtsvollzieherin gefertigte beglaubigte Abschrift ausgehändigt worden. Möglicherweise sei sie auch nicht mehr der richtige Zustelladressat gewesen, weil die Verfügung ihrem Anwalt hätte zugestellt werden müssen (§§ 191, 172 Abs. 1 S. 1 ZPO). Letztlich brauche diese Frage aber nicht entschieden zu werden, da sämtliche Zustellungsmängel nach § 189 ZPO geheilt seien. Danach könne die Heilung auch durch den Zugang eines anderen, dem zuzustellenden Dokument inhaltsgleichen Schriftstücks bewirkt werden. Eine technische Reproduktion des Originals sei dafür ausreichend. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Juristen der Beschluss nur zur Kenntnisnahme übermittelt worden sei. Entscheidend sei, dass die Verfügung erkennbar mit Vollziehungswillen abgegeben worden sei.