LG Gie­ßen: Le­bens­lan­ge Haft für Drei­fach­mör­de­rin

Das Land­ge­richt Gie­ßen hat eine 36-jäh­ri­ge Frau aus Aa­chen am 30.01.2018 wegen drei­fa­chen Mords zu einer le­bens­lan­gen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt. Zudem er­kann­te es auf eine be­son­de­re Schwe­re der Schuld und ord­ne­te Si­che­rungs­ver­wah­rung für die An­ge­klag­te an.

LG: "Gren­ze zur Psy­cho­path­in" er­reicht

Sei­ten­schei­tel: Brav wirkt die Frau, die auf der An­kla­ge­bank des Land­ge­richts sitzt. Doch für die Rich­ter im hes­si­schen Gie­ßen ist sie eine ge­fähr­li­che "Drei­fach­mör­de­rin", die bin­nen fünf Wo­chen einen 79-Jäh­ri­gen in Hes­sen und zwei Frau­en in Nord­rhein-West­fa­len aus Hab­gier ge­tö­tet hat. Die 36-Jäh­ri­ge zeige sich ge­fühls­kalt, habe "die Gren­ze zur Psy­cho­path­in" er­reicht, sei ge­fähr­lich und fähig, wei­te­re Taten zu be­ge­hen, sagt die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin zur Ur­teils­be­grün­dung und stützt sich dabei auch auf Aus­sa­gen eines Gut­ach­ters. Die An­ge­klag­te nimmt die Worte still und äu­ßer­lich ge­fasst ent­ge­gen.

Be­weis­la­ge er­drü­ckend

Schwei­gend hatte sie auch die mehr als 40 Ver­hand­lungs­ta­ge des In­di­zi­en­pro­zes­ses ver­folgt. Das Ge­richt be­frag­te mehr als 100 Zeu­gen und meh­re­re Sach­ver­stän­di­ge. Nun, ein Jahr nach Pro­zess­be­ginn, fasst die Vor­sit­zen­de zu­sam­men: "In der Ge­samt­heit ist die Be­weis­la­ge er­drü­ckend." Unter an­de­rem habe die An­ge­klag­te kein Alibi und ver­sucht, eines zu kon­stru­ie­ren. Sie habe teils Gen­spu­ren hin­ter­las­sen, bei Freun­din­nen ver­däch­ti­ge An­deu­tun­gen ge­macht - und sei im Be­sitz von Wert­ge­gen­stän­den zwei­er ihrer Opfer ge­we­sen.

Zau­ber­künst­ler er­würgt

Die An­ge­klag­te soll im April 2016 zu­nächst in Gie­ßen ihren frü­he­ren Nach­barn, einen 79 Jahre alten Zau­ber­künst­ler, in des­sen Woh­nung er­mor­det haben, um an Wert­ge­gen­stän­de zu kom­men. Sie schlug zur Über­zeu­gung der Rich­ter auf den alten Mann ein und er­würg­te ihn. Die Frau soll dann sei­nen Lap­top ge­stoh­len haben. Spä­ter legte sie ein Feuer, um die Spu­ren zu ver­nich­ten.

Se­nio­rin und deren Toch­ter ge­tö­tet

Ähn­lich bru­tal soll sie im fol­gen­den Mai in Düs­sel­dorf eine 86-Jäh­ri­ge über­wäl­tigt haben. Die An­ge­klag­te habe die Dame ge­wählt, weil diese auf­fäl­li­gen Gold­schmuck ge­tra­gen habe, führt die Vor­sit­zen­de aus. Die Se­nio­rin wurde ge­schla­gen und mit ihrem ei­ge­nen Hals­tuch er­dros­selt. Dann kam ihre 58 Jahre alte Toch­ter hinzu, auch diese über­wäl­tig­te die An­ge­klag­te. Zudem, so das Ge­richt, gab sie der Frau ein Schlaf­mit­tel, das sie selbst kon­su­mier­te. Die 36-Jäh­ri­ge soll dann von der Frau die Ge­heim­num­mern für EC-Kar­ten er­presst haben. Schlie­ß­lich habe sie ihr Opfer er­stickt – und wenig spä­ter mit den Kar­ten Geld ab­ge­ho­ben.

Staats­an­walt­schaft: Fall "ab­so­lut be­son­ders"

Aus Sicht des Ge­richts hat die An­ge­klag­te ge­trie­ben von einer "äu­ßerst pre­kä­ren fi­nan­zi­el­len Si­tua­ti­on" und einer "kri­sen­haf­ten Zu­spit­zung der Le­bens­um­stän­de" ge­tö­tet. Da war die Tren­nung von der Freun­din, Pro­ble­me mit den El­tern, kein Job, der Kon­sum von Ta­blet­ten und eine "er­drü­cken­de Schul­den­last", wie die Vor­sit­zen­de auf­lis­tet. Für die Staats­an­walt­schaft ist die­ser Fall "ab­so­lut be­son­ders". Es sei un­ge­wöhn­lich, dass eine Frau drei Morde be­ge­he. Zudem sei be­son­ders, dass der Tat­ort teils ma­ni­pu­liert wor­den sei.

Morde in Düs­sel­dorf als Fa­mi­li­en­dra­ma in­sze­niert

Die An­ge­klag­te in­sze­nier­te zur Über­zeu­gung des Ge­richts den Düs­sel­dor­fer Tat­ort als Fa­mi­li­en­dra­ma. Sie schrieb auf ein Rät­sel­heft den Satz "Tut mir leid, Mama" - und brach­te die Düs­sel­dor­fer Er­mitt­ler damit zu­nächst auf eine fal­sche Fähr­te. Diese nah­men an, dass die 58-Jäh­ri­ge erst ihre Mut­ter und dann sich selbst ge­tö­tet hatte. Der Fall galt als er­le­digt. Die Wen­dung brach­ten erst Er­mitt­lun­gen der Gie­ße­ner Po­li­zei, die die An­ge­klag­te wegen des Mor­des an dem 79-Jäh­ri­gen im Vi­sier hatte. Bei einer Woh­nungs­durch­su­chung fan­den sie die EC-Kar­ten sowie eine Schmuck­scha­tul­le der Düs­sel­dor­fe­rin­nen.

Ne­ben­kla­ge­ver­tre­ter: Fa­mi­li­en­dra­ma-An­nah­me war für An­ge­hö­ri­ge sehr be­las­tend

Für die An­ge­hö­ri­gen sei es "sehr be­las­tend" ge­we­sen, dass die Po­li­zei zu­nächst von einem Fa­mi­li­en­dra­ma aus­ge­gan­gen sei, be­tont der Ne­ben­klä­ger­ver­tre­ter. Sie hät­ten In­di­zi­en auf eine Ge­walt­tat vor­ge­tra­gen, ohne dass man die­sen nach­ge­gan­gen sei. Die Er­mitt­ler hat­ten im Ver­lauf des Pro­zes­ses Feh­ler ein­ge­räumt.

LG Gießen, Urteil vom 30.01.2018

Redaktion beck-aktuell, Carolin Eckenfels, 31. Januar 2018 (dpa).

Mehr zum Thema