Germanwings-Absturz: Lufthansa haftet Hinterbliebenen nicht auf Schmerzensgeld

Angehörige der Insassen des im Jahr 2015 abgestürzten Germanwings-Flugzeugs können von der Lufthansa kein Schmerzensgeld verlangen. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden. Die flugmedizinischen Sachverständigen, die dem damaligen Co-Piloten, welcher den Absturz bewusst herbeigeführt hatte, ein medizinisches Tauglichkeitszeugnis ausgestellt haben, hätten in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt. Mithin könne nur der Staat oder die Körperschaft haften, in dessen Dienst die Ärzte gestanden haben.

Co-Pilot litt unter psychischer Erkrankung

Am Vormittag des 24.03.2015 verursachte der Co-Pilot einer Germanwings-Maschine auf einem Flug von Barcelona nach Düsseldorf bewusst einen Absturz, in dessen Folge alle 150 Insassen starben. Später wurde bekannt, dass der Co-Pilot an einer psychischen Erkrankung gelitten hatte. Das Luftfahrtbundesamt hatte ihm seine Fluglizenz auf Grundlage medizinischer Tauglichkeitszeugnisse erteilt. Die flugmedizinischen Sachverständigen waren für ein flugmedizinisches Zentrum tätig, das von der Lufthansa betrieben wird.

Kläger werfen Lufthansa Organisationsversagen vor

Im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main haben Hinterbliebene gegen die Lufthansa als Konzernmutter von Germanwings auf Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 40.000 Euro für die von ihnen selbst erlittenen Beeinträchtigungen - teilweise unter Abzug bereits gezahlter 10.000 Euro geklagt. Zudem verlangen sie als Erben pro Todesfall die Zahlung von 25.000 Euro für die in den Minuten vor dem Absturz erlittene Todesangst ihrer verunglückten Angehörigen. Nach Auffassung der Kläger hätte dem Co-Piloten keine Flugtauglichkeit attestiert werden dürfen. Das medizinische Überwachungssystem habe unter schweren organisatorischen Mängeln gelitten. Die Lufthansa sei Teil dieses Systems gewesen.

LG: Lufthansa mangels Zuständigkeit schon falsche Beklagte

Die Reiserechtskammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat die Klagen nun mit der Begründung abgewiesen, dass die flugmedizinischen Sachverständigen bei ihren Tauglichkeitsuntersuchungen in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hätten, da ihre Tätigkeit durch öffentlich-rechtliche Vorschriften bestimmt und Bedingung für die Lizenzierung gewesen sei. Deswegen könne allenfalls der Staat oder die Körperschaft haften, in dessen Dienst die Ärzte gestanden haben, nicht jedoch die Lufthansa. Die fliegerärztlichen Untersuchungen seien Kernbestandteil der Flugsicherheit. Diese zu gewährleisten sei eine staatliche Aufgabe, die durch das Luftfahrtbundesamt wahrgenommen werde. Die Lufthansa habe hingegen keinen Zugang zu den flugmedizinischen Untersuchungen. Die Fliegerärzte seien unabhängig und nicht an Weisungen der Lufthansa gebunden. Es habe kein Überwachungssystem der Lufthansa bestanden. Ihr könne daher auch kein Organisationsversagen vorgehalten werden. Da das Gericht die Ansprüche schon dem Grunde nach verneinte, erübrigten sich Ausführungen zur Anspruchshöhe.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.06.2022 - O 109/19

Miriam Montag, 1. Juli 2022.