LG Frankfurt am Main stärkt Haftung von Internet-Plattformen für rechtswidrige Inhalte
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Die Grünen-Politikerin Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Dies entschied das Landgericht Frankfurt am Main am Freitag. Auch Varianten dieses sogenannten Memes mit kerngleichem Inhalt müsse das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Künast habe zudem einen Schmerzensgeldanspruch gegen die Facebook-Betreiberin Meta.

Künast verlangte Löschung des Eintrages

In dem entschiedenen Fall geht es konkret um ein Bild der Bundestagsabgeordneten, dem folgendes Zitat beigefügt war: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!" Dieses Zitat ist falsch. Künast verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Künast zunächst beanstandete Meme.

Gericht bestätigt Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Mit dem jetzt ergangenen Urteil vom 08.04.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) hat eine Pressekammer des LG Frankfurt am Main der Klage der Politikerin stattgegeben. Durch das Falschzitat werde Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. "Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen," erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. "Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt." Und weiter: "Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall." Die Beklagte habe auch nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird.

Meta muss Schmerzensgeld zahlen

In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Die Kammer erklärte: "Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit."

Konzern will weitere mögliche Schritte prüfen, Künast spricht von Meilenstein

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung angefochten werden. "Wir werden nun die Urteilsgründe abwarten und weitere mögliche Schritte prüfen", erklärte eine Sprecherin von Meta. Um Falschinformationen zu erkennen und zu kennzeichnen, arbeite man mit unabhängigen Faktenprüfern zusammen. "Wir haben das von Frau Künast gemeldete Falschzitat von der Facebook-Plattform entfernt und haben in diesem Fall weitere Maßnahmen ergriffen, um außerdem identische Inhalte zu identifizieren und zu entfernen", hieß es. Künast bezeichnete das Urteil in einer gemeinsamen Mitteilung mit der Organisation Hateaid als "Meilenstein für unsere Demokratie": "Diese Grundsatzentscheidung mit der Pflicht alle vorhandenen Falschzitate zu löschen, nimmt die Plattformen endlich in die Pflicht." Künast war in dem Prozess von Hateaid unterstützt worden. "Das Urteil ist eine Sensation. Das Gericht hat klargestellt, dass soziale Medien Verantwortung für den Schutz der Nutzenden tragen", erklärte Hateaid am Freitag. Vor allem könnten Betreiber nun nicht länger behaupten, dass die Last für das Auffinden rechtswidriger Inhalte allein bei den Betroffenen liege.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.04.2022 - O 188/21

Redaktion beck-aktuell, 11. April 2022 (ergänzt durch Material der dpa).