Ryan­air-Klau­seln zu Flug­recht­s­por­ta­len ge­kippt

Das Land­ge­richt Frank­furt am Main hat Klau­seln der Flug­ge­sell­schaft Ryan­air ge­kippt, mit denen Pas­sa­gie­re davon ab­ge­hal­ten wer­den soll­ten, ihre Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che an In­ter­net­por­ta­le ab­zu­tre­ten. Das Ge­richt sah ver­schie­de­ne Punk­te wegen un­an­ge­mes­se­ner Be­nach­tei­li­gung der Ver­brau­cher als rechts­wid­rig an. Der Kunde müsse selbst ent­schei­den dür­fen, ob er nach Ver­spä­tun­gen oder Flug­aus­fäl­len seine An­sprü­che selbst ver­fol­ge oder an Drit­te ab­tre­te.

Ryan­air woll­te nur di­rekt an Pas­sa­gie­re zah­len

Wie die Wett­be­werbs­zen­tra­le, die die Klage ge­führt hat, mit­teil­te, re­gel­te die Flug­ge­sell­schaft Ryan­air DAC in ihren All­ge­mei­nen Be­för­de­rungs­be­din­gun­gen (ABB), dass Flug­gäs­te et­wai­ge Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che zu­nächst selbst bei der Flug­ge­sell­schaft über deren In­ter­net­sei­te gel­tend ma­chen müs­sen und erst nach Ab­lauf einer Be­ar­bei­tungs­frist Drit­te mit der Gel­tend­ma­chung ihrer An­sprü­che be­auf­tra­gen dür­fen. Zudem soll­te eine Ab­tre­tung von Aus­gleichs-, Scha­dens­er­satz- und Rück­erstat­tungs­an­sprü­chen nur an na­tür­li­che Per­so­nen, die der kon­kre­ten Flug­bu­chung oder Rei­se­grup­pe zu­ge­hö­rig waren, sowie ge­setz­li­che Ver­tre­ter Min­der­jäh­ri­ger zu­läs­sig sein. Wäh­rend des Ver­fah­rens än­der­te Ryan­air vor­ste­hen­de Klau­seln in­so­weit, als die ihr zu ge­wäh­ren­de Be­ar­bei­tungs­frist ver­kürzt wurde und eine Be­ar­bei­tung von Drit­ten gel­tend ge­mach­ter An­sprü­che nur er­folg­te, wenn diese An­ga­ben zu Kon­takt- und Zah­lungs­da­ten des Flug­gas­tes zwecks un­mit­tel­ba­rer Zah­lung an die­sen be­inhal­te­ten. Schlie­ß­lich un­ter­stell­te Ryan­air das Be­för­de­rungs­ver­hält­nis per ABB-Klau­sel iri­schem Recht, so­fern "das Über­ein­kom­men oder die ein­schlä­gi­gen Ge­set­ze nichts an­de­res vor­se­hen".

LG Frank­furt gibt Wett­be­werbs­zen­tra­le recht

Die Wett­be­werbs­zen­tra­le be­an­stan­de­te diese Re­ge­lun­gen als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung von Ver­brau­chern, denen die Durch­set­zung ihrer ge­setz­li­chen Rech­te un­zu­läs­sig er­schwert werde und erhob Klage gegen Ryan­air. Sie ist der Auf­fas­sung, dass es dem Ver­brau­cher ins­be­son­de­re nach der Flug­gast­rech­te-VO (Ver­ord­nung (EG) Nr. 261/2004) frei­ste­he, auf wel­che Weise er seine Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che wegen Ver­spä­tung oder Flug­aus­falls gel­tend ma­chen will. Die Gel­tend­ma­chung der Ver­brau­cher­an­sprü­che durch Flug­gast­rech­te­por­ta­le und Legal Tech-An­bie­ter werde von Ryan­air mit­tels der vor­ste­hen­den ABB Re­ge­lun­gen un­zu­läs­sig er­schwert oder gar ver­hin­dert. Das Land­ge­richt Frank­furt am Main be­stä­tig­te die Auf­fas­sung der Wett­be­werbs­zen­tra­le und stell­te zu­nächst unter Be­zug­nah­me auf eine Ent­schei­dung des OLG Köln zu einer wort­glei­chen Rechts­wahl­klau­sel (OLG Köln, Be­schluss vom 29.1.2021, Az. 9 U 84/20) fest, dass diese ir­re­füh­rend, in­trans­pa­rent und damit rechts­miss­bräuch­lich sei. Ein ju­ris­tisch nicht vor­ge­bil­de­ter Leser könne auf­grund der For­mu­lie­rung der Klau­sel nicht er­ken­nen, wel­ches Recht im kon­kre­ten Fall zur An­wen­dung ge­lan­ge.

Klau­seln ver­sto­ßen gegen AGB-Recht 

Auch die wei­te­ren be­an­stan­de­ten ABB Klau­seln ver­sto­ßen nach An­sicht der Kam­mer gegen AGB-Recht sowie die Flug­gast­rech­te-VO. Sie be­ein­träch­tig­ten zum einen die Ver­brau­cher­inter­es­sen un­an­ge­mes­sen, da sie in die Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis des Ver­brau­chers ein­grif­fen, zu ent­schei­den, ob die­ser seine An­sprü­che selbst oder durch Drit­te gel­tend ma­chen möch­te. Zudem über­wie­ge das In­ter­es­se des Ver­brau­chers an der Ab­tret­bar­keit sei­ner For­de­run­gen ge­gen­über ent­ge­gen­ste­hen­den In­ter­es­sen von Ryan­air. Die in den ABB ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Gel­tend­ma­chung et­wai­ger An­sprü­che seien fer­ner un­wirk­sam nach Art. 15 Flug­gast­rech­te-VO, da sie den Flug­gäs­ten die Rechts­durch­set­zung durch Drit­te un­mög­li­che mach­ten bzw. deut­lich er­schwer­ten. 

Ent­schei­dung noch nicht rechts­kräf­tig

Erstrit­ten hat das Ur­teil die Wett­be­werbs­zen­tra­le Frank­furt, die be­reits beim Land­ge­richt Ber­lin ein ähn­li­ches, in­zwi­schen rechts­kräf­ti­ges Ur­teil gegen den un­ga­ri­schen Bil­lig­flie­ger Wizz Air er­reicht hatte. Die Frank­fur­ter Ent­schei­dung ist hin­ge­gen noch nicht rechts­kräf­tig. Ein Spre­cher der Zen­tra­le kün­dig­te an, not­falls bis zum Bun­des­ge­richts­hof zu gehen.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.11.2021 - O 527/19

Redaktion beck-aktuell, 20. Dezember 2021 (ergänzt durch Material der dpa).

Mehr zum Thema