Rollstuhlfahrer vor U-Bahn gestoßen - Haft und Sicherungsverwahrung

Weil er einen Rollstuhlfahrer auf das Gleisbett der Frankfurter U-Bahn gestoßen hat, ist ein 69-Jähriger am 16.11.2020 vom Landgericht Frankfurt am Main zu acht Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Die Schwurgerichtskammer ging von versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung aus. Die Verteidigung erwägt nun die Einlegung der Revision beim Bundesgerichtshof.

Stoß nach Streit um Schnapsflasche

Der Angeklagte mit deutscher Staatsangehörigkeit hatte in dem Prozess eingeräumt, im Januar 2020 den 32-Jährigen nach einem Streit über eine Flasche Schnaps an der U-Bahn-Station im Stadtteil Dornbusch auf die Gleise gestoßen zu haben. Ein später eintreffender U-Bahn-Triebwagen konnte rechtzeitig bremsen. Dass es bei ein paar Abschürfungen am Ellenbogen des Opfers geblieben sei, grenze "an ein Wunder“, hieß es im Urteil. Der Angeklagte soll das Geschehen nach der Tat vom Bahnsteig gegenüber aus völlig unbeeindruckt beobachtet haben. Auf der Heimfahrt wurde er später von der Polizei festgenommen. Wichtigstes Beweismittel der Staatsanwaltschaft war eine Videoaufzeichnung, die den Angeklagten bei dem Stoß zeigte.

Täter war bereits wegen Mordes verurteilt

Die Staatsanwaltschaft hatte sich bereits in ihrem Plädoyer für eine achtjährige Haftstrafe und anschließende Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Tatsache, dass der 69-Jährige 2001 seine Verlobte aus nichtigem Anlass in der Badewanne ertränkt hatte und deshalb bereits zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden war. Weil er die anschließende Haftzeit nicht dazu verwendet habe, an sich zu arbeiten und Therapiemöglichkeiten zu nutzen, müsse auch weiterhin von einer großen Gefährlichkeit des "äußerst empathielosen und dissozialen Mannes“ ausgegangen werden, sagte der vorsitzende Richter.

2,5 Promille hindern Schuld- und Steuerungsfähigkeit nicht

Zudem habe er einen Hang zum Alkohol- und Tablettenmissbrauch. Auch zum Tatzeitpunkt hatte der Angeklagte laut Gutachten rund 2,5 Promille Alkohol im Blut - an der vollständigen Schuld- und Steuerungsfähigkeit hatte dies laut Urteil allerdings nichts geändert. Trotz jahrelanger Inhaftierung gelte er als trinkgewohnt. Die Verteidigung hatte bei der Tat keinen Tötungsvorsatz gesehen und deshalb lediglich vier Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung beantragt. Auch eine Sicherungsverwahrung lehnte die Rechtsanwältin ab. Sie werde nun prüfen, ob Revision eingelegt werden soll.

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2020 (dpa).