Kein Schmerzensgeld wegen Quarantäne nach Rückreise aus Risikogebiet

Das Landgericht Frankfurt am Main hat eine Klage von Reiserückkehrern aus Risikogebieten auf Schmerzensgeld wegen der Quarantäne, in die sie anschließend mussten, abgewiesen. Die Quarantäne sei auf der Grundlage der hessischen Quarantäne-Verordnung vom November 2020 rechtmäßig gewesen, eine Amtspflichtverletzung mithin nicht gegeben.

Hessische Quarantäne-Regelung

Die Corona-Quarantäne-Verordnung des Landes Hessen vom 26.11.2020 sieht vor, dass sich Personen, die aus einem nach dem Infektionsschutzgesetz als Risikogebiet eingestuften Gebiet nach Deutschland einreisen, für zehn Tage in häusliche Absonderung begeben müssen. Frühestens ab dem fünften Tag nach der Einreise kann diese Quarantäne beendet werden, wenn ein ärztliches Zeugnis oder ein Testergebnis über das Nichtvorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorgelegt wird ("Freitesten").

Ehepaar fordert wegen Quarantäne nach Reiserückkehr aus Risikogebiet Schmerzensgeld

Die klagenden Eheleute reisten am 09.03.2021 per Flugzeug von Heraklion über Athen nach Frankfurt ein. Griechenland war seinerzeit als Risikogebiet eingestuft. Unmittelbar nach ihrer Einreise in Deutschland ließen sie bei sich einen PCR-Test durchführen, der negativ ausfiel. Die Klägerin befand sich insgesamt sechs Tage in Quarantäne und verließ diese vorzeitig nach Durchführung eines negativen Antigen-Schnelltests. Der Kläger verblieb die vollen zehn Tage in häuslicher Absonderung. Die Kläger behaupteten, an Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit, Existenzängsten und der vereinsamten Situation gelitten zu haben. Sie waren der Ansicht, das Land Hessen habe amtspflichtwidrig gehandelt, als es die Corona-Quarantäne-Verordnung erlassen habe. Sie forderten Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.250 Euro für die klagende Ehefrau und mindestens 2.500 Euro für den Ehemann.

LG: Kein Anspruch auf Schmerzensgeld

Das LG hat die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht der Kläger sei das Virus SARS-CoV-2 ein Krankheitserreger, der zur Lungenkrankheit COVID-19 führen könne und rechtfertige daher grundsätzlich die Quarantäne als Schutzmaßnahme. Die Kläger seien zu Recht als "Ansteckungsverdächtige" im Sinne des Infektionsschutzgesetzes eingestuft worden, denn sie seien aus einem internationalen Risikogebiet eingereist. Zudem hätten sie bei der Rückreise aus Athen nach Frankfurt mit mehreren Personen im Flugzeug eng zusammen gesessen, sodass auch die Gefahr bestanden habe, Krankheitserreger aufgenommen und nach Deutschland mitgebracht zu haben. Dass die Kläger am Tag der Einreise mit einem negativen PCR-Test nachgewiesen hätten, nicht ansteckungsverdächtig zu sein, stelle nur eine Momentaufnahme dar, die wegen der Inkubationszeit keine Aussage über während und kurz vor Beginn des Fluges aufgenommene Erreger treffe.

Quarantäne war verhältnismäßig

Die Quarantäne sei auch verhältnismäßig gewesen. Dem Interesse der Kläger, sich frei bewegen zu können, stünden die Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst wirksamen Schutz von Leib und Leben und dem öffentlichen Gesundheitssystem gegenüber. Hier überwiege das auf Art. 2 Abs. 2 Satz GG gestützte öffentliche Interesse der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung der hochansteckenden Viruskrankheit und am Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens in Deutschland und der Schutz des in medizinischen Einrichtungen tätigen Personals vor einer akuten Überlastung sowie die weitgehende Offenhaltung von Schulen und Geschäften. Die Gewährleistung der trotz der herrschenden Corona-Pandemie bestmöglichen Krankenversorgung stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat zu sorgen habe. Die Absonderung sei den Klägern auch deswegen zumutbar gewesen, weil ihnen bereits vor Reisebeginn bekannt war, dass sie sich nach Wiedereinreise aus einem internationalen Risikogebiet in Absonderung zu begeben haben. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Eingriffsintensität maßgeblich durch die nach der Corona-Verordnung vorgesehene "Freitestungsmöglichkeit" gemindert wird.

Quarantäne kein schwerwiegender Eingriff in Freiheitsrechte

Die Kammer verneinte einen Schmerzensgeldanspruch der Kläger außerdem, weil die Absonderung nach ihrer Art, Dauer und Intensität kein schwerwiegender Eingriff in ihre Freiheitsrechte sei. Anders als etwa bei einer Strafhaft habe eine Quarantäne keine rufschädigende Wirkung. Die Kläger seien auch nicht an einem fremden Ort untergebracht worden, sondern hätten sich ohne Überwachung in ihrer eigenen Wohnung selbstbestimmt bewegen können.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.12.2021 - O 165/21

Redaktion beck-aktuell, 3. Januar 2022.