11-Jähriger nicht für Filesharing verantwortlich
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Selbst ein überdurchschnittlich intelligentes Kind von elf Jahren kann nicht verstehen, dass das Herunterladen eines Computerspiels über ein Filesharing-Netzwerk rechtswidrig ist. Es fehle ihm diesbezüglich an der notwendigen Einsichtsfähigkeit, hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Ein Wochenende bei Opa

Ein 11-Jähriger besuchte 2014 über das Wochenende seinen Opa und installierte über dessen Internetanschluss das Programm "Bittorent". Er nutzte den Client zum Herunterladen des urheberrechtlich geschützten Computerspiels "S". Wie das geht, zeigte ihm ein Anleitungsvideo auf Youtube. Die Rechteinhaberin von "S" verklagte den Jungen und seinen Großvater gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz und vorgerichtliche Abmahnkosten nach §§ 97, 97a UrhG in Verbindung mit § 832 BGB: Den einen als Täter und den anderen, weil er die Aufsichtspflicht verletzt habe. Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klagen ab.

Filesharing

Das "Filesharing" über ein Peer-to-Peer-Netzwerk dient der Erlangung und Bereitstellung von Dateien. Sucht ein Nutzer eine bestimmte Datei (Computerspiel, Musiktitel oder Film), ermöglicht ihm die Software "Bittorent", dieses auf den Rechnern der anderen Teilnehmer des Netzwerks zu finden. Die Datei wird dann ohne weiteres Zutun der bereitstellenden Teilnehmer heruntergeladen und gleichzeitig vom Herunterladenden auch wieder anderen suchenden Nutzern angeboten. Damit wird sie im Sinn des Urheberrechts verbreitet.

11-Jähriger ist nicht deliktsfähig

Nach Überzeugung der Kammer fehlt einem 11-jährigen Kind regelmäßig noch das Verständnis dafür, dass das Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Computerspiels über ein Filesharing-Netzwerk rechtswidrig ist. Diese Rechtsverletzung sei eine der abstraktesten Verletzungen, die im Rechtsverkehr überhaupt denkbar sei - nicht ansatzweise vergleichbar mit einer Körper- oder Eigentumsverletzung, die in der tatsächlichen Umwelt geschehe und damit auch für Kinder begreifbar sei. Der Junge habe noch nicht einmal erkannt, dass es sich bei der Seite um eine illegale Filesharing-Plattform handelte, so das Landgericht. Damit fehle es an der notwendigen Einsichtsfähigkeit, welche § 828 Abs. 3 BGB für eine Haftung voraussetze.

Großvater auch nicht verantwortlich

Die Eltern eines Kindes übertragen dem LG zufolge nicht stillschweigend ihre Aufsichtspflicht auf den Großvater, wenn sie ihren Sohn für ein Wochenende bei ihm lassen. Daher sei ihm keine Verletzung einer Sorgfaltspflicht nach § 832 Abs. 2 BGB vorzuwerfen. Eine konkludente Übernahme der Aufsichtspflicht könne nur erfolgen, wenn die Einräumung einer umfassenden Personenfürsorge mitsamt der Erziehung gewollt sei - etwa wenn das Kind während der Ferien ohne seine Eltern beim Opa bleibe.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.10.2020 - O 15/19

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2020.