LG Frankfurt a. M.: Zur Zulässigkeit der Dekoration des Treppenhauses

WEG §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3

Eine „Dekoration" des Treppenhauses durch Eigentümer ist nicht per se unzulässig.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.03.2019 - 2/13 S 94/18, BeckRS 2019, 6989

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 13/2019 vom 04.07.2019

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Sachverhalt

Die Wohnungseigentümer streiten um die Verpflichtung eines Miteigentümers zur Entfernung von Pflanzen und weiterer Sachen aus dem Treppenhaus. Zuvor waren im Treppenhaus einer Wohnungseigentumsanlage in der Nähe der Fenster, auf und vor dort befindlichen Absätzen sowie vereinzelt vor Wohnungseingangstüren Pflanzen sowie dazugehörig Töpfe und Metallständer für Töpfe und andere Dekorationsgegenstände abgestellt worden. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur teilweisen Entfernung der Pflanzen verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Berufung.

Rechtliche Wertung

Mit Erfolg.

Durch das Aufstellen von Pflanzen und weiterer Sachen im Treppenhaus sei vorliegend keine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG gegeben.

Eine erhebliche Beeinträchtigung durch den derzeitigen Zustand sei nicht ersichtlich. Im Treppenhaus seien an verschiedenen Stellen (nahe den zur Außenseite liegenden Fenstern, auf und vor dort befindlichen Absätzen sowie vereinzelt vor Wohnungseingangstüren) Pflanzen sowie dazugehörig Töpfe bzw. Metallständer für Töpfe und andere Dekorationsgegenstände abgestellt. Insoweit sei in § 14 Nr. 1 WEG gelegene Maßstab nicht überschritten. Dieser regle den „Gebrauch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG. Vorrangige Regelungen durch Beschluss oder Vereinbarung existieren vorliegend nicht. Die Kläger müssten daher durch die streitgegenständliche Nutzung des Treppenhauses durch die Beklagte über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erleiden.

Dabei seien ganz geringfügige Beeinträchtigungen zu dulden. Dies sei wiederum nach objektiven Kriterien zu beurteilen, also ob sich ein Sondereigentümer nach der Verkehrsanschauung in entsprechender Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne. Diese Beeinträchtigung müsse dann weiterhin über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen. Hierbei sei das Abstellen von Sachen im Bereich des Gemeinschaftseigentums nicht an sich zu untersagen. Das gemeinschaftliche Eigentum könne eben von jedem Sondereigentümer (mit-)benutzt werden. Gemessen an diesen Grundsätzen sei keine Störung durch den derzeitigen Zustand im zuvor genannten Sinne gegeben. Es könne hier nicht auf den Maßstab betreffend bauliche Veränderung, also die Veränderung des optischen Gesamteindruckes abgestellt werden. Eine bauliche Veränderung liege unzweifelhaft nicht vor, da nicht dauerhaft in die Substanz des Eigentums eingegriffen werde.

Eine Störung behaupte die Klägerseite insofern, als das Treppenhaus als Rettungsweg verengt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Pflanzen und sonstigen von der Beklagten aufgestellten Sachen nehmen nur einen geringen Teil der Fläche des Treppenhauses ein. Sie befinden sich allesamt in unmittelbarer Nähe zu Fenstern oder Wänden und versperren daher den Treppenaufgang nicht. Der Durchgang im Treppenaufgang sei, wenn überhaupt, nur unerheblich beeinträchtigt. Insgesamt handle es sich bei dem derzeitigen Zustand um eine Nutzung, welche den Rahmen des Üblichen nicht überschreitet. Darüber hinaus handle es sich bei der „Dekoration des Treppenhauses" um sozialadäquates Verhalten. Dies zeige sich schon daran, dass vor den Fenstern des Treppenhauses mit Fensterbänken vergleichbare Absätze vorhanden seien. Diese werden durch das Aufstellen von Pflanzen und Dekorationsgegenständen ihrem Zweck gemäß genutzt. Eine Dekoration freier Flächen im Treppenhaus sei als übliche Nutzung solcher Flächen zu bewerten. Ob dies den Geschmack aller Sondereigentümer treffe, könne offenbleiben. Jedenfalls seien die im Treppenhaus abgestellten Sachen nicht ihrer Natur nach anstößig.

Es liege kein Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten vor. Der Mitgebrauch der übrigen Eigentümer werde kaum berührt. Auch diese haben die Möglichkeit Pflanzen oder andere Sachen im Treppenhaus abzustellen. Die betroffenen Flächen würden ansonsten wohl nicht genutzt werden. Letztlich liege auch kein Fall des faktischen Alleingebrauchs vor. Die Gemeinschaftsfläche werde nur in geringem Maße von der Beklagten genutzt. Insbesondere sei der freie Zugang durch das Treppenhaus gewährleistet. Auch anderen Eigentümern sei es möglich, Pflanzen oder Dekorationsgegenstände im Treppenhaus, etwa auf den Fensterbänken, aufzustellen. Sollte es insofern zum Konflikt kommen, bliebe es den Eigentümern vorbehalten, den Gemeingebrauch durch Beschluss zu regeln, §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG. Entsprechendes gelte auch für den Fall der weitergehenden bzw. intensiveren Nutzung der Gemeinschaftsfläche durch die Beklagte und/oder andere Sondereigentümer.

Praxishinweis

Gemäß § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein solcher Nachteil kann auch in einer ästhetischen Beeinträchtigung, also nur eine optische Veränderung bestehen (BayObLG, Beschluss vom 12.09.1991 - BReg. 2 Z 101/91, NJW-RR 1992, 150). Nicht zu dulden sind insbesondere Umstände, die auf eine Verwahrlosung schließen lassen (BayObLG, Beschluss vom 27.03.1990 - BReg. 1 b Z 17/89, NJW-RR 1990, 854) oder das Gebäude in ästhetischer Sicht tatsächlich verschlechtert oder gar verunstaltet (Bub in: Staudinger WEG, 2005, § 22 WEG, Rn. 75). So hat z.B. das OLG Düsseldorf (Beschluß vom 22.05.1996 - 3 Wx 88/96, NJWE-MietR 1996, 250) entschieden, dass eine abwehrfähige Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer vorliegt, wenn ein Wohnungseigentümer regelmäßig und notorisch Mülltüten und ähnliche Abfälle vor seiner Wohnungstür im gemeinschaftlichen Eingangsbereich des Hauses deponiert. Das Abstellen von Pflanzen, ist jedenfalls – auch, wenn es nicht jedem Wohnungseigentümer gefällt – keine solche Beeinträchtigung.

Redaktion beck-aktuell, 4. Juli 2019.