"Komplette Fälschung": Gericht führt Anwalt für halluzinierte Fundstelle vor

Erneut sind einem Gericht frei erfundene Zitate vorgesetzt worden. Das LG Frankfurt am Main gibt sich enttäuscht und zeigte kurzerhand, dass die KI es eigentlich besser kann. 

"Die Kammer hofft, dass die Fälschungen nicht vom Klägervertreter selbst vorgenommen wurden, sondern von einem Chatbot ′halluziniert′ worden sind." – in seinem Beschluss fand das LG Frankfurt klare ergänzende Worte für einen Anwalt, der sich bei seiner Argumentation zur Bemessung des Streitwerts Künstlicher Intelligenz bedient hatte (Beschluss vom 25.09.2025 – 2-13 S 56/24).

Die Gegenseite hatte die Berufung bereits zurückgenommen, nun stritt man über den Streitwert. Der Klägervertreter argumentierte für eine abweichende Berechnung, allerdings mit wörtlichen BGH-Zitaten, die weder in Sachen Fundstelle, Datum noch Aktenzeichen überhaupt existierten. Eine "komplette Fälschung", wie sie die 13. Zivilkammer nannte.

Wo andere Gerichte berufsrechtliche Konsequenzen in Aussicht stellen, entschied sich die 13. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main dafür, den Klägervertreter vorzuführen. So warf es ihm nicht nur die ungeprüfte Übernahme der Ergebnisse, sondern auch noch mangelnde Kompetenz im Umgang mit dem Tool vor. Das Gericht habe selbst mehrere KI-Chatbots befragt, die für diesen Fall fehlerfrei nicht nur eine existierende, sondern sogar die korrekte Rechtsauffassung wiedergegeben hätten. Für die Auffassung des Beklagtenvertreters habe die KI indes keine Belege gefunden. Im Ausgangsverfahren – einer Beseitigungsklage in WEG-Sachen – richte sich der Streitwert eben nicht nach den Beseitigungskosten, sondern dem Wertverlust.

Grundpflichten missachtet

Dass er lediglich die "höchstrichterliche Linie" in eigenen Worten wiedergegeben haben, und das nur versehentlich in Anführungszeichen gesetzt haben soll, fand die Kammer "unverständlich". Es gehöre zu den Grundpflichten anwaltlicher Tätigkeit, Fundstellen im Volltext nicht zu erfinden bzw. von KI generierte Fundstellen vorher inhaltlich zu prüfen. Einem Anwalt müsse bekannt sein, dass juristische Aussagen derartiger Systeme unzuverlässig seien.

Das Gericht mahnte einen Schaden für die Rechtspflege an, wenn das Gericht einem Anwalt wegen unwahren Zitaten nicht mehr vertrauen könne. Andere Belege habe er zwar richtig zitiert, aber dafür falsch verstanden. Sie betrafen nicht den Streitwert, sondern die Beschwer, die in WEG-Sachen zu trennen sei – ein Umstand, der dem WEG-erfahrenen Klägervertreter eigentlich hätte bekannt sein sollen. Damit kam es zu dem tenorierten Streitwert von 3.000 Euro.

KI-halluzinierte Fehlzitate sind keine Einzelfälle mehr. Der Beschluss vom LG Frankfurt reiht sich nun in die Liste der gerichtsbekannten Halluzinationen ein, wobei die USA bei der Erfindung neuer Rechtsprechung wohl vorerst der Vorreiter bleibt.

LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25.09.2025 - 2-13 S 56/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 26. September 2025.

Mehr zum Thema