LG Erfurt: Betriebswegeunfall auf auch für Dritte zugänglichem Parkplatz des Arbeitgebers

SGB VII §§ 8 I, II, 105 I 1; ZPO §§ 91 I, 709 Satz 1

Sucht ein Arbeitnehmer nach Ende seiner Schicht den vor den Werkstoren befindlichen Parkplatz auf, der für Betriebsangehörige und Kunden des Barverkaufs bestimmt ist und wird dort auf dem Weg zu seinem Auto von einem anderen Arbeitnehmer angefahren, handelt es sich um einen Betriebswegeunfall, so dass eine Haftung des Schädigers ausgeschlossen ist. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Parkplatz nicht vollständig umzäunt und somit auch von unberechtigten Dritten benutzt werden kann.

LG Erfurt, Urteil vom 07.10.2016 - 9 O 1039/11, BeckRS 2016, 117452

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 10/2017 vom 24.05.2017

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Sachverhalt

Auf dem oben beschriebenen Parkplatz hatte die Beklagte zu 1) mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw geparkt und wollte nach Arbeitsende den Heimweg antreten. Der im gleichen Betrieb beschäftigte Kläger hatte seinen Pkw auf demselben Parkplatz abgestellt. Er war auf dem Weg zu seinem Pkw, als die Beklagte, nachdem sie zunächst angehalten hatte, anfuhr und dabei den Kläger übersah, der aus ihrer Sicht von links von einem Fußweg kommend in angemessenem Abstand vor dem Pkw der Beklagten die Ausfahrt queren wollte. Die Beklagte erfasste den Kläger, warf ihn zu Boden und verletzte ihn schwer.

Außergerichtlich erfolgt keine Regulierung. In der Klagebeantwortung tragen die Beklagten vor, dass ein sogenannter Betriebswegeunfall vorliege, der die Haftung der Beklagten gemäß § 105 SGB VII ausschließe. Der Kläger argumentierte dagegen, dass auch Dritte auf dem Parkplatz parken könnten.

Rechtliche Wertung

Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht stufte das Unfallgeschehen als nach § 105 SGB VII haftungsprivilegiert ein, denn der Unfall habe sich auf dem Betriebsgelände ereignet. Darauf, ob dieser Parkplatz «vor den Toren» liege, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass jedenfalls in der Regel «das gesamte Werksgelände» vom Haftungsprivileg umfasst sei. Das umfasse auch diesen allgemein zugänglichen Betriebsparkplatz, der zum Organisationsbereich des Betriebes gerechnet werde.

Praxishinweis

Der Anwalt muss, wenn ihm eine solche Sache übertragen wird, gemäß § 116 SGB X rasch entscheiden und intensiv prüfen, ob der Mandant überhaupt berechtigt ist, Ansprüche geltend zu machen. Haftungsprivilegiert sind innerbetriebliche Betriebswegeunfälle nach § 8 Abs. 1 SGB VII. Nicht haftungsprivilegiert sind dagegen Wegeunfälle zwischen Arbeitsplatz und Wohnort laut § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.

Es kommt damit entscheidend auf die örtlichen Verhältnisse und auf die Gestaltung dieser örtlichen Verhältnisse an. In diesem Zusammenhang sollte großes Augenmerk auf die Beschilderung gerichtet werden. Man beachte aber, dass Schilder häufig, aus welchen Motiven heraus auch immer, urplötzlich geändert werden können.

Redaktion beck-aktuell, 6. Juni 2017.